Wie schön wäre es in St. Petersburg gewesen .....

Statt auf einem Segelschulschiff, der Viermastbark Sedov, fanden sich etliche Trainees auf der holländischen Barkentine Antigua wieder. Nichts war mit “weißen Nächten auf der Neva in St. Petersburg“. Stattdessen erlebten wir Trainees in der westlichen Ostsee herrliche Segeltage auf einem guten Schiff. Was war geschehen? Nun, wieder einmal verließ das russische Segelschulschiff Sedov fluchtartig westliche Gewässer und brauste, den Gerichtsvollzieher im Nacken unter Vollzeug nach Murmansk. Die Schweizer Firma Noga versuchte einmal mehr die Viermastbark konfiszieren zu lassen um auf diese Weise mit Nachdruck auf die durch Russland noch nicht beglichenen Verbindlichkeiten in Höhe von mehreren Millionen Dollar aufmerksam zu machen. Doch die Schiffsführung der Sedov, durch vorangegangene Versuche dieser Art sensibilisiert, war schneller und strebte umgehend ihrem Heimathafen zu. Somit entging den Trainees die auf dem Schiff einen Törn zu den “weißen Nächten in St. Petersburg“ gebucht hatten ein sicherlich unvergessliches Erlebnis. Alternativ wurde den verhinderten St.-Petersburg-Fahrern ein 11-tägiger Törn in der westlichen Ostsee auf der holländischen Barkentine Antigua angeboten. Nicht wenige nahmen dieses Angebot an und somit nahm eine Reise ihren Anfang die auch in diesem Seegebiet und in den angelaufenen Häfen so einiges Reizvolles zu bieten hatte.

Zunächst jedoch war am 11. Juni 2002 Auslaufen Kiel mit Kurs auf Rönne auf der schönen Insel Bornholm angesagt. Auf dem vergleichsweise kleinen Schiff (Länge über alles 49 m) fanden wir uns schnell zurecht und gewöhnten uns auch übergangslos an den für uns ungewohnten Komfort. Als Schulschifffahrer waren wir bis dato keine klimatisierten 2-Bettkammern, jede mit Dusche und WC gewohnt. Auch den luxurirösen Salon betrachteten wir schon bald als angenehme Alternative zu den Mannschafts-und Kadettenmessen der großen Segelschulschiffe auf denen wir bisher gefahren sind. Die Trainees wurden in drei Wachen aufgeteilt und auch die Backschaft gehörte zu den täglichen Bordroutinen. Auf diese Weise in die Schiffscrew integriert, erlebten wir den Bordalltag fast ebenso wie auf unseren geliebten Großseglern.

     

Mit Einlaufen in Rönne (Bornholm) und Landgang mit Stadtbesichtigung bzw. Inselrundfahrt im Mietwagen endete die erste Etappe unseres Segeltörns. Dann wurde es so richtig “gemütlich“ auf der Antigua. Bei Starkwind und hohem Seegang verließen wir am nächsten Vormittag Rönne und erlebten erstmals auf diesem Schiff wie schön doch die Seefahrt sein kann. Der Segler stampfte und schlingerte, so dass es kaum möglich war sich auf den Beinen zu halten. Hoch wurde der Bug aus der See gehoben um danach wieder mit einem dumpfen Schlag tief in das nächste Wellental zu tauchen. Der Rhythmus dieses Seetages war bestimmt von dem ewigen “Auf und Nieder“ des wie eine Nussschale hin- und hergeworfenen Schiffes. Nur wenige Trainees waren an diesem Tag an Deck zu sehen und der Koch hatte Mühe seine mit großem Aufwand zubereiteten Speisen an den Mann / die Frau zu bringen. An Deck wurden Strecktaue gespannt und das Betreten des Vorschiffes wurde durch den jungen holländischen Kapitän (Dan) untersagt. Auch auf dem Achterschiff war es nicht möglich auch nur im Ansatz die Balance zu halten. Das Schiff bewegte sich wie ein Gummiball in der bewegten See. Wer nicht unbedingt an Oberdeck benötigt wurde der verzog sich in den Salon oder keilte sich in seiner Koje fest.

Aber wie immer vergingen diese “bewegten Stunden“ auf See auch auf der Antigua und am nächsten Tag erfreuten wir uns des für diese Jahreszeit ungewöhnlich schönen und von nun an lang anhaltenden Schönwettergebietes bei herrlichem Segelwind. Nächste Station auf unserem Törn war die Insel Rügen. In der Bucht von Glowe warfen wir Anker und wer wollte, konnte mit dem Schlauchboot auf die Insel übersetzen. Das letzte Boot zurück zum Schiff setzte sich Punkt 18.00 Uhr von dem kleinen Badeort aus in Bewegung und geriet samt seiner Insassen in einen heftigen Gewitterregen. Sechs völlig aufgeweichte Trainees und der Bootsführer Maik erreichten nach einem abenteuerlichen “Ritt“ schließlich wieder die Planken der Antigua.

     

Der Bordalltag gestaltete sich für uns Trainees an Bord dieses schönen Schiffes abwechslungsreich, spannend und fröhlich und wir hatten fast während der gesamten Reise Freude über das herrliche Erlebnis des meist unter Vollzeug dahinziehenden Schiffes. Gelacht wurde auf diesem Törn sehr viel, meist ausgelöst durch den durch nichts zu überbietenden Humor unseres deutschen Koches (Hartmut). Nicht nur in der Kombüse war er ein Meister seines Faches, sondern auch bei der Unterhaltung der Trainees gab er sein Bestes (und das war viel) um die Trainees und die Crew in eine anhaltende Hochstimmung zu versetzen. Unvergessen seine Gestik und Mimik die uns immer wieder laut losprusten ließ.

Nach Glowe wurde Kopenhagen angesteuert. Nach langer Revierfahrt erreichten wir schließlich bei bestem Wetter gegen 17.00 Uhr die Metropole Dänemarks. Hier war ein ausgiebiger Landgang und eine Stadtrundfahrt zu Wasser angesagt. Die Europa und die Sea Cloud II hatten am selben Kai wie die Antigua festgemacht, die Rainbow Warrier (Greenpeace) lag direkt vor unserem Klüverbaum. Auch einige andere Segler mittlerer Größe lagen am Pier vertäut und gaben uns Gelegenheit zu Schiffsbesichtigungen. Zu schnell verging der Stop in Kopenhagen und wieder lief unser Schiff mit prall gefüllten Segeln dem nächsten Hafen entgegen.

Rostock wurde unverhofft angelaufen. Vorbei am Seebad Warnemünde mit Blick auf den gut besuchten, herrlichen Badestrand ging es Warnow-aufwärts dem Rostocker Stadthafen entgegen. Etwa auf der Höhe des Hanse-Sail-Büros machten wir fest und bei brütender Hitze wollte ich den Freunden im Büro einen Besuch abstatten. Doch die hatten ob des heißen Wetters bereits das Haus verlassen und tummelten sich vermutlich schon in der Kühlung bringenden Ostsee.

Den Abend verbrachten einige Trainees bei einem guten Schluck in gemütlicher Runde auf der im Hafen liegenden Yacht Independia. Am nächsten Tag war noch ausreichend Gelegenheit die Rostocker Fußgängerzone zu besuchen und kleine Mitbringsel für die Daheimgebliebenen zu erstehen. Punkt 12.00 Uhr hieß es wieder einmal “Leinen los“ und wieder (wen wundert es noch?) ging es bei strahlendem Sonnenschein und hochsommerlichen Temperaturen in umgekehrter Richtung der Ostsee entgegen.

So langsam näherten wir uns unserem Ausgangspunkt, der Stadt Kiel, waren jedoch am nächsten Morgen beim ersten Rundgang über Deck überrascht, statt der Silhouette von Kiel den kleinen Hafen Marstal auf der dänischen Insel Æro vor uns zu sehen. Letzte Möglichkeit die dänischen Kronen auszugeben, bevor es unwiderruflich vor Ende der Reise hieß “Leinen los“ Richtung Kiel. Dort trafen wir am Abend des 20. Juni nach einer außergewöhnlich schönen Segelreise wieder wohlbehalten ein. Den lukullischen Abschluss dieser Seereise bildete das von Hartmut exzellent zubereitete, indonesische Menü welches sich Trainees, Besatzung und Kapitän des Schiffes bei einem “guten Roten“ vortrefflich munden ließen. Am 21. Juni trennte man sich wieder von seinen neu gewonnenen Segelkameraden, von der Crew und von einem uns nun schon so vertrauten Segler, der Barkentine Antigua Ein Wiedersehen mit diesem Schiff, seiner Besatzung und vielen Trainees wird es im August zur Hanse Sail in Rostock und im Seebad Warnemünde geben.
 

Rolf Siebel


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