Reisebericht


Ein Törn auf der Barkentine Antigua


(19. April bis 6. Mai 2004)


Die Reise nach Portugal schien für die 2. Reisegruppe der Windjammerfreunde München bereits am Flughafen Lissabon abenteuerlich zu werden. Zuerst funktionierte die Zugangsbrücke vom Gate zum Flugzeug nicht und eine passende Treppe war nicht verfügbar. Sollte man sich jetzt schon im Klettern in Jakobsleitern üben? Schließlich ging's dann doch. Aber beim Verlassen des Flughafengebäudes steckten wir dann auch noch kurz in den großen Drehtüren fest. Wenigstens verlief die Busfahrt zum Bahnhof am Tejo reibungslos. Aber die Fahrt mit der S-Bahn nach Cascais wäre beinahe teuer geworden: Unsere vermeintlich gültigen Tagestickets vom Bus waren hier im Zug ungültig. So staunte unser Rudel von 20 versehentlichen Schwarzfahrern über die Gelassenheit des freundlichen, einheimischen Schaffners, der kopfschüttelnd und schmunzelnd beide Augen zudrückte. Kurz vor Cascais sahen wir dann schon vom Zug aus die Antigua, die auf Reede liegend, wild in der Dünung rollte. Im motorisierten Schlauchboot setzten wir dann zu der vor Anker liegenden, 48 m langen Barkentine über und wurden von der Stammbesatzung sowie von den bereits am Vortag angereisten Vereinsmitgliedern freundlich begrüßt. Das Schiff machte auf Anhieb einen guten Eindruck. Es war gepflegt, hatte eine gemütliche Messe mit Bar und kommode Kammern mit 2 Kojen, Dusche und WC.

Da die Antigua am nächsten Tag noch Treibstoff bunkern musste, war uns Trainees noch ein 2-stündiger Landgang in Cascais, einem hübschen Örtchen an der Atlantikküste, vergönnt. Am Nachmittag liefen wir dann aus wobei sich Wind und Wellen in Grenzen hielten. Die hohe Dünung aber strapazierte schon bald einige Mägen. Doch bereits das erste Tuch, das von insgesamt 800 Quadratmetern Segelfläche gesetzt wurde sowie eine Schule aus ca. 20 Delfinen, welche uns begrüßte und ständig durch die Bugwelle huschte, waren eine erfreuliche Entschädigung für etwaiges Unwohlsein.

Frühmorgens, am 2. Tag auf See, verstummte endlich das Brummen der 380 PS starken Antriebsmaschine. Wiederholtes Segelsetzen, Trimmen und Segelbergen gab uns Trainees letztendlich das Gefühl auf einem Windjammer zu sein und langsam stimmten wir uns aufs Wachegehen ein. Jolien, unser weiblicher Kapitän, ließ uns aber durch die Blume erkennen, dass sie ihr Schiff durchaus allein mit ihrer Stammcrew fahren konnte und dass die Antigua mit einem solch guten Radar ausgestattet sei, dass sie klassische Ausgucks nur auf freiwilliger Basis benötige. So bekam unsere Motivation vorab schon einen kleinen Dämpfer ab. Es sollte sich aber bald herausstellen, dass man auf diesem hochgelobten Radargerät große Containerschiffe kaum von kleinen Wellenbergen unterscheiden konnte. Auch einige weitere nautische Geräte wie schlecht ablesbarer Kompass usw. hinterließen einen etwas fragwürdigen Eindruck, obwohl neben GPS, Autopilot, Joysticksteuerung auch allerhand moderne Technik auf der Brücke vorzufinden war.

Nur mit Schratsegeln und wieder unter Maschine, gesteuert vom Autopiloten, der auf dem ganzen Törn das Rudergehen unnötig machte, zog die Antigua am Nachmittag des 3. Tages am Kap Finistere vorüber. Nun war es bis zur berüchtigten Biskaya nicht mehr weit. Welche Winde und welche Seen würden uns dort erwarten? Etwa so heftige wie letztes Jahr wo nächtliche Orkanböen die Hälfte der Segel zerfetzen?

Letztendlich präsentierte sich die Biskaya von ihrer besten Seite. Zwar war es noch etwas kühl aber der Himmel war blau und die Dünung flach. Da nutzte Ingrid-1 mit ihren 70 Jahren (falls dies verraten werden darf) gleich die Gelegenheit zum ersten Mal in ihrem Leben die Saling eines Windjammers zu entern. Damit hatte sie sich auch unseren Respekt verdient. Das Segelerlebnis hielt sich leider in Grenzen, denn der Wind, der nie mehr als 4 Windstärken erreicht hatte, kam meist aus der falschen Richtung. Anstelle einer ordentlichen Brise bekam die Antigua wenigstens regelmäßigen Besuch von Delfinen. Die waren wohl auf Klassenausflug, denn alle paar Stunden kam eine Schule Delfine aufs Schiff zugeschossen, welche uns dann über kurz oder lang begleiteten. Dafür wurden diese sympathischen Tiere redlich bestaunt und beklatscht.

Nach weniger als 3 Tagen war die Biskaya passiert und die Antigua lief die Brester Förde an um vor Camaret sur Mer vor Anker zu gehen. Im Schlauchboot setzten wir zu diesem hübschen kleinen Fischerstädtchen über. Wieder festen Boden unter den Füßen konnten wir uns dort im Ort oder auf den Bunkerbewehrten Klippen, mit leicht schwankenden Schritten, die Beine vertreten um dann gemütlich einzukehren und nebenher einige Postkarten zu schreiben. Drei Mitsegler jedoch, die mehr Schickimickiflair erwartet hatten, musterten bereits hier vorzeitig ab. Währenddessen plagte sich Kapitänin Jolien höchstpersönlich im Maschinenraum der Antigua mit einer undicht gewordenen Kraftstoffförderpumpe herum; unterstützt von unserem Vereinskameraden und Maschinenbauingenieur Günter, der sich erbarmt hatte und sein Bestes gegeben hat um die Pumpe mit selbst hergestellten Dichtungen wieder hinzukriegen.

Am nächsten Tag ging die Antigua bei schönem Wetter ankerauf. Auch das Minenjagdboot Weilheim, welches neben der Antigua geankert hatte, nahm Fahrt auf und steuerte mit uns den Atlantik an. Dieses Schiff der Bundesmarine trägt den Namen meines Wohnorts, weil die Stadt die Patenschaft für dieses Marineschiff übernommen hat. Doch kurz darauf drehte die Antigua schon wieder um, denn die Pumpe spuckte erneut Kraftstoff und so lief unser Schiff anstatt dem Ärmelkanal die Marinestadt Brest an. Beim Einlaufen saß uns ein weiterer Windjammer im Nacken: Die Belem. Eine 100 Jahre alte schöne französische Bark mit schwarzem Rumpf und weißem Pfortengang; ehemals Jacht des Sir Guiness.

In Brest erleichterten uns Landgänge das Warten auf die Ersatzpumpe, welche per Kurierdienst aus Hamburg angefordert worden war. Allerdings ist diese Marine- und Hafenstadt eher trist als aufregend. Immerhin befindet sich im Chateaux neben der Marinebasis auch ein interessantes Marinemuseum, welches so weiträumig in der 1.700 Jahre alten Festung verteilt ist, dass diese gleich zur Hälfte mit besichtigt werden kann. Sehr empfehlenswert war auch das große Oceaneum mit vielen tollen Aquarien, Seehunden und Pinguinen.

Als jedermann an Bord der Antigua längst gebannt auf die Anlieferung der Pumpe wartete, stellte sich heraus dass diese noch immer in Hamburg lag. Durch diesen logistischen Fehlschlag wäre die Stimmung an Bord beinahe ähnlich wie auf der H.M.S. Bounty geworden. Erst am Abend des 3. Tages in Brest brachten die Kuriere das heiß ersehnte Ersatzteil an Bord. Unser Günter und Ruud von der Stammcrew bauten die Pumpe dann ruckzuck ein und schon legte die Antigua ab.

Am nächsten Morgen stampfte die Barkentine unter Motor in rauem Seegang. Unter Deck war kaum einer zu sehen; nur wenigen war es nach Essen zumute. Oben an Deck war es kalt und nass. Steuerbord querab die Ile d'Ouessant: Eine kleine Insel mit Leuchtürmen in der linken oberen Ecke Frankreichs. Am späten Nachmittag sah es kaum anders aus. Zwar hatte sich der Regen verabschiedet aber die See war immer noch sehr ruppig. Und wegen starkem Gegenwind und Gegenstrom lag fast querab und nur wenig achteraus noch immer die gleiche Insel.

Auch am folgenden Tag hielten sich beständig Kälte, Nässe, Gegenstrom und ungünstige Winde. Die Antigua dümpelte nur mühsam mit Kurs Ost-Nordost Richtung Kanal voran und längst hatte der größte Optimist die Hoffnung aufgegeben Hamburg rechtzeitig anlaufen zu können. Unsere Kapitänin machte es uns Trainees auch nicht leichter, denn sie war wie immer mürrisch, schwer ansprechbar und so wenig informativ, wie ein Kapitän der letzten Jahrhunderte, so dass man lange nicht wusste, wann man gedachte in Hamburg anzukommen und wie man die Heimreise umorganisieren sollte. Mangelnde Freundlichkeit kann aber der Stammcrew wirklich nicht nachgesagt werden, denn die 8 Leute waren auch beim trübsten Wetter immer nett und kooperativ und so rau konnte die See auch gar nicht sein, dass Smut August kein warmes Essen zustande gebracht hätte. Barkeeperin Astrid schaffte es mit ihrem Charme sogar bei jedermann eventuell aufkommende schlechte Laune gleich im Keim zu ersticken.

Der 1. Mai beglückte uns zuerst mit leichtem Nebel und später auch noch mit Regen. Doch später klarte es dann doch noch auf und die Kanalinseln kamen in Sicht. Weiter ostwärts nahm der Schiffsverkehr nun ständig zu. Aus Sicherheitsgründen ist der hochfrequentierte „Channel“ in zwei räumlich getrennte „Einbahnstraßen“ aufgesplittet, wobei die Kanalfähren zwischen Dover und Calais natürlich auch noch auf dem kürzesten Weg (ca. 40 km) hurtig kreuzen. Eine dieser Fähren schien die Antigua sogar rammen zu wollen; querte schließlich unser Kielwasser bedrohlich nah. Doch sicherlich wollte man dort drüben den Passagieren nur ein Segelschiff aus nächster Nähe präsentieren, denn zu diesem Zeitpunkt waren wieder einige Segel gesetzt und somit bot unsere Barkentine ein hübsches Fotomotiv.

Schließlich lief die Antigua bei kaltem, grauen Wetter Ijmuiden/Holland an. Vor den Toren Amsterdams bereichern qualmende Schlote von Industrieanlagen, ein in die Höhe wachsender Neubau einer Bohrinsel aber auch das hohe Rigg des wunderschönen Klippernachbaus Stad Amsterdam den tristen Hafen. Dort verließ ich mit einem Dutzend weiterer Trainees die Antigua um mich auf die Heimreise zu machen und nahm Abschied vom Schiff, seiner netten Crew und den anderen Vereinskameraden, welche den Törn noch bis Hamburg fortsetzten, um dem Hafengeburtstag beizuwohnen.

Erwin Welker

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