Auf
den Spuren von Christoph Columbus
mit der Brigg Roald Amundsen
»Roald Amundsen« ©
Jochen Schneider, Berlin
Liebe Windjammerfreunde,
diesmal möchte ich Euch von
meiner Atlantiküberquerung auf den Spuren des Christoph Columbus
mit der Brigg Roald Amundsen berichten. Die Anregung zu dieser Reise, erhielt
ich durch Rolf in unserem Vereinsrundschreiben.
Meine Reise begann am 5. Januar 2002 in Santa Cruz, Teneriffa und endete am
3. Februar in der Karibik auf der Insel Martinique. Im Hafen von Santa Cruz
lag die Roald, ein imposanter Rahsegler, rustikal ausgestattet und erwiesenermaßen
sehr hochseetüchtig, mit einer Länge von 50 m üA und einer Breite
von 7,20 m. Zwei Masten tragen Segel mit einer Fläche von 850 qm, darunter
auch das typische Briggsegel, ein Schratsegel, am achteren Mast. Sehr auffällig,
der hoch hinausragende Klüverbaum. Zwischen diesen Masten, um das Spill,
ist viel Platz für allerlei Aktivitäten, wie ihr später noch
lesen werdet oder auch angenehmen Müßiggang. Unter dem Sonnensegel
konnten wir im Hafen, an drei Biertischen wunderbar speisen oder unsere geselligen
Abende mit Gesang und Tanz abhalten. Hier fand auch der Salsakurs statt, mit
dem wir uns für den Landgang rüsteten.
Wir starteten am 8. Januar mit 46
Enthusiasten, von denen 20 zur Crew gehörten. Die "Jugend" im Alter von
20-40, war am stärksten vertreten, aber auch ein paar ältere Seebären
waren an Bord. Wir waren in 2-, 4- oder 6-Personenkabinen untergebracht, die
noch ausreichend Stauraum für unser Gepäck boten. In der Messe-Logis
wohnten unsere wandernden Zimmerleute, die im Verlauf der Reise fast alles Hölzerne
an Deck überholten. Drei Duschen und drei WC, die mit Grauwasser oder aus
der leistungsfähigen Osmoseanlage versorgt wurden, erlaubten den relativ
großzügigen Umgang mit Wasser. Selbst eine Waschmaschine und ein
Trockner waren an Bord, die aber nur nach Wetterlage betrieben werden konnten.
Montags wurden alle Lasten mit Lebensmittel und Getränken vollgeladen,
dann warteten wir ungeduldig den Sandsturm ab, der mit Böen von 8, die
Gischt über die Molenkrone peitschte und zeitweise einen Landgang vereitelte.
Schließlich legten wir am Dienstag ab und segelten auch schon bald mit
7 Knoten an der Küste Teneriffas entlang. Ein Tief näherte sich und
sorgte für die ersten Segelmanöver und blasse Gesichter. Durchdringender
Regen wusch uns vom gelben Sand frei und bewies auch bald, dass mein Anorak
nicht das hielt, was er versprach (zwischenzeitlich habe ich mir schon einen
Hochseetüchtigen besorgt).
Eine Nacht verging ruhelos, um mich an die neuen Geräusche, das Rollen
und die Mitschläfer, zu gewöhnen. Dank sei Rolf, der mir die 4-8-Wache
empfahl, die sich im Verlauf als recht angenehm herausstellte.
Nach 4 Tagen beruhigte sich die Wetterlage
und bei sonnigen 24°C ging es dem Passat entgegen, den wir nach 7 Tagen
bei 18°44' N schon erahnen konnten. Der Wind kam meist von Ost, Passatwolken
standen am sonnigen Himmel und in der Nacht wuchs der Mond und der Orion zeigte
sich klarer denn je. Oftmals mussten wir, zum Leidwesen der Segelfreaks, noch
die Maschine hinzunehmen, weil wir unter 5 Knoten abfielen. So segelten wir
gemütlich in Richtung 15. Breitengrad und beobachteten Delfine, die sich
in der Bugwelle amüsierten. Fliegende Fische, die nachts unbemerkt an Bord
verendeten, wurden am nächsten Tag als Köder für Doraden verwendet
und brachten gute Beute, die lecker zubereitet, auf dem Mittagstisch landeten.
Der Passat hatte sich jetzt auf konstant Ost eingestellt und trieb uns mit der
Strömung gen Westen. Streckenweise wurde eine Spitzengeschwindigkeit von
über 9 Knoten erreicht, aber im Durchschnitt war es etwas über 6 Knoten.
Unsere Wetterfrösche stellten nun schon Wassertemperaturen von 26°C
und eine Lufttemperatur von 27°C fest. Die warmen Kleidungsstücke wurden
gegen Shorts, T-Shirts und Sandalen ausgetauscht und fanden auf dieser Etappe
keine Verwendung mehr. Wir waren fast allein auf dem weiten Meer. Auf der ganzen
Reise wurden noch drei weitere Schiffe irgendwo fernab gesichtet, ansonsten
verlor ich allmählich etwas den Begriff von Zeit, als wäre man allein
auf dieser Welt und auf dieser Arche Noah.
Am 19. Januar hatten wir die Hälfte
der Strecke hinter uns und bei kurzzeitigen 10 Knoten, riss uns das Vorroyal,
weil wir nicht fix genug waren es zu bergen. Zu unserer Verteidigung können
wir von der Wache 2 sagen, dass es auch schon durch den letzten schweren Sturm
etwas gelitten hatte. Am 21. Januar setzten wir übungshalber das Briggsegel
und gewannen tatsächlich noch fast einen Knoten dazu. Es war mein Geburtstag
und so ließ mich Topsy Letta mit wohlwollender Unterstützung, das
Royal setzen. Am Abend führte meine Wache bei voller Decksbeleuchtung,
wie auf der Bühne des fliegenden Holländers, das Musical "Deckschrubben"
auf oder war es doch der sterbende Schwan? Auf jeden Fall eine gelungene
Überraschung!
Nach zwei Wochen der Schaukelei, hatte ich mich schon an die blauen Flecke,
die kleinen Blessuren und die körperlich anspruchsvolle Küchenarbeit
gewöhnt und fiel sogar in der Nacht ab und zu in einen Tiefschlaf. Die
Wachen gingen schnell vorüber und gerne holte ich am Morgen oder nach dem
Mittagessen noch ein Stündchen Schlaf nach.
Viel Zeit blieb nicht für andere Aktivitäten, denn neben den täglichen
"Hausarbeiten" an Bord und etwas Segeltheorie, wollte ich mich auch mit meinen
Mitreisenden unterhalten, denn es waren einige interessante Persönlichkeiten
an Bord. Ja, es gab viel zu erzählen und manchmal wollten wir auch nur
blödeln. Essen gab es immer pünktlich. Dafür sorgte unser Berliner
Koch Hans. Rainer machte sich besonders durch täglich frische Brötchen
und Brot beliebt. Mehrmals mussten die Uhren gestellt werden um die Zeitdifferenz
von 6 Stunden auszugleichen. Am 25. Januar sichteten wir Wale, die uns mal Backbord,
mal Steuerbord begleiteten und für ein aufgeregtes hin und her sorgten.
Während der ganzen Reise, war die Crew mit routinemäßigen Ausbesserungsarbeiten
an der Takelage beschäftigt und zum ersten Mal lernte ich auch die Nachteile
von "Labsal" kennen, das schließlich nicht nur an den Drahtseilen klebte.
So vergingen die Tage recht schnell. Mittlerweile hatte ich mich auch schon
an das Gurgeln und Glucksen des Wassers am Bullauge und der Bordwand unserer
Kammer gewöhnt und auch an das Schnarchen der Mitreisenden.
Sonntag früh sollten wir Land
in Sicht haben und vor lauter Vorfreude erwog ich die Nacht durchzuwachen, wurde
aber doch vom Sandmännchen zum Schlafen überredet. Welch' ein beeindruckender
Moment, als ich gegen 4 Uhr morgens aus dem Niedergang an Deck stieg und die
Lichter der Insel in einem silbrig glänzenden Meer unter Vollmond sah.
Je heller es wurde und je näher wir der Insel kamen, desto intensiver wurde
der würzige Landgeruch. Einige wollten umkehren, doch die meisten wollten
endlich an Land. Ist doch das Ziel einer jeden Reise das Ankommen. Dazu kam
es aber erst am nächsten Tag. Der Wind war günstig, so dass wir noch
- all hands - die Kür absolvieren wollten und den Tag mit Halsen und Wenden,
und in bester Gesellschaft des Großseglers Stad Amsterdam auf
See verbrachten, bevor wir in einer Bucht ankerten. Der Mond stieg hinter den
Bergen von Ainse d'Arlets auf und tauchte die Roald in ein romantisches Licht.
Nach drei Wochen Abstinenz, inspirierte das Ankerbier doch mächtig zu Gesang
und Tanz. Am folgenden Morgen sorgte ein erfrischendes Bad wieder für einen
klaren Kopf. "Arschbomben" brachten das Meer in Wallung und mancher Tarzan schwang
sich an einer "Liane" vom Schanzkleid oder brillierte mit Salto mortale oder
anderen bewundernswerten Kunststücken. Wir freuten uns schon auf den Landgang,
mussten aber noch bis nachmittags ausharren, bis alle Formalitäten erledigt
waren, aber dann... Wir strömten auseinander und fanden, in alter Gewohnheit
am Abend in einem Lokal an der Promenade, wieder zusammen. Wider Erwarten schwankte
der Boden nicht mehr, was uns doch sehr erstaunte nach so vielen Tagen der Seefahrt.
Noch am selbigen Abend, wurde auch der Plan eines Gipfelsturms am Mont
Pelee ausgeheckt, zu dem wir in einer kleinen Gruppe von fünf Wanderfreunden
am frühen Morgen des kommenden Tages aufbrachen. 1.600 Höhenmeter
wurden überwunden. Wir erlebten die Passatwolken mit Böen und Regen,
aber auch eine tropische Vegetation, die unser Herz nach so viel Wasser und
Himmel erfreute. Der Bergausflug endete an Bord mit einer Party und am nächsten
Tag mit mächtigem Muskelkater. Andere hatten sich ein Auto gemietet und
erkundeten die Insel und die Strände auf eigene Faust. So konnten wir am
Abend fröhlich von unseren Exkursionen berichten.
Schließlich nahte für die meisten der Abreisetag und damit auch der
immer wieder traurige Moment des Abschieds. Durch einen verlängerten Aufenthalt,
hatten Lars, Rainer und ich noch die Ehre, beim Ablegen zum nächsten Törn
zu helfen und den Weiterreisenden nachzuwinken.
Und auch jetzt noch verfolge ich die Tagesberichte im Internet, denn die Reise
wird bis zum April fortgesetzt.
Resumee: Ich möchte nochmal
auf dieses Schiff, um eine weitere Etappe zu erleben. Auch um mehr Punkte im
Roald Amundsen "Persönlichen Ausbildungsnachweis" zu erhalten. Vielleicht
bekomme ich sogar eines Tages ein T-Shirt mit dem Aufdruck "CREW". Das wär's
doch!
Und für alle Windjammerfreunde, die gerne ins Rigg steigen, Hand anlegen
und sich qualifizieren wollen, dazu die wärmeren Segelreviere lieben, ist
die Roald das geeignete Schiff.
Eure Ingeborg Hegner
Törninfos findet Ihr
unter http://www.sailtraining.de
»Roald Amundsen« auf der Hansesail 1999
© Andreas Zedler http://www.grosssegler.de
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