Cutty-Sark-Tallship-Race auf der Viermastbark "Sedov"

von Bergen (Norwegen) über Esbjerg (Dänemark) zur Hanse Sail nach Rostock-Warnemünde


Ein Bericht von Rolf Siebel


 

Am 28. Juli 2001 stiegen 11 Mitglieder unseres Vereins "Windjammerfreunde München" in den Flieger nach Bergen in Norwegen. Um die Mittagszeit waren wir bereits an Bord des russischen Segelschulschiffes "Sedov". Nach Bezug unserer Logis und dem Verstauen unserer Klamotten ging es bereits wieder an Land, um die schönsten und größten Windjammer der Welt zu besuchen. Der Hafen war ein einziger, großer Mastenwald. Teilweise lagen die Segler dicht an dicht im Päckchen vertäut an den Piers und Landungsstegen. Ein gewaltiger Besucherstrom zog an den Schiffen vorbei. Das Wetter spielte mit und in der Nachmittagssonne leuchteten die Flaggen an den über die Toppen geschmückten Windjammern, Yachten und Kuttern aus aller Herren Länder. Eine fröhliche, maritime Atmosphäre lag über dem gesamten Hafen. Von den Bühnen hörte man Shantys der Chöre, die aus ganz Europa angereist waren und dieser Sailveranstaltung einen eindrucksvollen, musikalischen Rahmen gaben.

Am nächsten Tag dann strömender Regen in Bergen. Aber dennoch flanierten wieder Tausende von Schiffsliebhabern an den Windjammern vorbei und besichtigten bei "open ship" die Rahsegler, Toppsegelschoner, Brigantinen, Yachten und Kutter. Dann endlich am Montag Auslaufen aus der schönen Stadt Bergen. Die Revierfahrt zog sich über mehrere Stunden hin und es wurde später Nachmittag als sich die Großsegler langsam an die Startlinie zur zweiten Etappe des Cutty-Sark-Tallship-Race manövrierten. Der Regen hatte nachgelassen und eine wunderschöne Wolkenbildung in der schon tiefstehenden Sonne machte diesen Start zu einer Regatta zu einem unvergleichlich schönen Erlebnis mit Gänsehauteffekt. Die Kapitäne versuchten mit strategischer Finesse ihre Schiffe so an die Linie heranzuführen, dass in der Sekunde des Starts alle Segel standen um dann hart angebrasst schnell Fahrt aufzunehmen und so eine günstige Position vor den anderen Regattateilnehmern zu erlangen.

Die "Kruzenshtern" und die "Alexander von Humboldt" segelten an unserer Backbordseite längere Zeit auf Rufweitenentfernung. Der Clipper "Stad Amsterdam" zog gleich beim Passieren der Linie mit Vollzeug an uns vorbei und war nach gut einer Stunde bereits aus unserem Gesichtsfeld verschwunden. Dieser Clipper gewann auch schließlich das Rennen. Langsam ließen wir schließlich die "Alex" und die "Krusi" hinter uns und zogen mit unserer "Sedov" unter 4.295 qm Segeltuch auch noch an einigen anderen Schiffen vorbei. An Deck unseres Schiffes herrschte während des Regattastarts eine freudige und fröhliche Stimmung, wie ich sie vorher noch niemals während einer Windjammerreise erlebt habe. Die Trainees hasteten von Back- nach Steuerbord, von dort zum Heck und wieder nach vorne auf die Back um sich in eine günstige Position zum Fotografieren und Filmen zu begeben. Die Kameraauslöser mussten in diesem perfekten maritimen Spektakel geglüht haben.

 

Am nächsten Morgen war dann das Regattafeld weit auseinander gezogen. Achteraus konnte man gerade noch über der Kimm die "Kruzenshtern" erkennen. Als wir dann in Esbjerg als sechstes Schiff die Ziellinie passierten, ging für uns Trainees, aber wohl auch für die Kadetten und die Stammbesatzung ein Rennen zu Ende, wie es wohl keiner zuvor erlebt hat. Niemals zuvor fühlte ich mich emotional so eng mit den Windjammern verbunden wie auf dieser Regattastrecke.


Dann kam die schöne Hafenliegezeit in Esbjerg. Wieder besuchten wir unsere Segelkameraden auf den anderen Windjammern und tauschten unsere Eindrücke aus, die wir während der Regattafahrt empfunden haben. Hier in Esbjerg spürte man den Geist des "Cutty-Sark-Race-Gedanken" bei der kameradschaftlichen Begegnung mit Crewmitgliedern aus der ganzen Welt. Hier spürten wir die Einmaligkeit des Miteinander auf Windjammern, auf den prächtigen Großseglern die heute wieder vermehrt auf den Meeren der Welt unterwegs sind.

Wie bei jedem "Cutty-Sark-Tallship-Race", waren auch in diesem Jahre wieder Tausende junger Menschen aus ganz Europa auf den Schiffen unterwegs um der Idee des "Cutty-Sark-Races" neue Impulse zu geben, um beispielhaft Kameradschaft und Völkerverständigung im allerbesten Sinne auf den Rahseglern zu leben. Die Besatzungen aller mitsegelnden Schiffe mussten den Regeln von "Cutty-Sark" entsprechend zu 50% aus Jugendlichen bis zu einem Alter von 25 Jahren bestehen. Die norwegische Bark "Staatsrad Lehmkuhl" erfüllte diese Voraussetzung bis kurz vor dem Verlassen des Hafens in Bergen nicht. Es fehlten genau 8 Mitsegler die unter 25 Jahren waren. Ganz im Geiste des "Cutty-Sark-Tallship-Race" stellte die "Sedov" 8 junge Kadetten ab, die dann mit ihren norwegischen Kameraden die "Lehmkuhl" über die Regattastrecke brachten. Das ist die Praktizierung des völkerverbindenden Gedankens dieser jährlichen Sailveranstaltung.

Dann kam der Tag der Crewparade. Alle Regattaschiffe schickten ihre Abordnungen zur Parade durch Esbjerg. Fröhlich, aber auch würdig ging es beim Einmarsch der Crewparade auf dem Marktplatz in Esbjerg zu. Tausende junger Crewmitglieder jubelten mit den älteren Trainees und den Einwohnern Esbjergs der Siegerbesatzung der Regatta, dem niederländischen Clipper "Stad Amsterdam" zu. Die Jury, bestehend aus den Kapitänen der Regattaschiffe, wählte in diesem Jahr die "Shabab Oman", ein Schiff aus dem persischen Golf, die die begehrte "Cutty-Sark-Trophy" erhielt. Diese Trophy wird jedes Jahr dem Schiff zuerkannt, welches sich in hervorragender Weise um den Gedanken des "Cutty-Sark-Tallship-Race" verdient gemacht hat. In jedem Hafen lud die Besatzung dieses Schiffes Mitglieder aus den international vertretenen Schiffsmannschaften zu sich an Bord zum Gedankenaustausch und kameradschaftlichen Beisammensein ein. Die Besatzung führte bei der Preisverleihung einen wahren Freudentanz auf, beklatscht und gefeiert von der unübersehbaren Menge der Zuschauer und Schiffsbesatzungen. So fand das Ende der Regatta in Esbjerg seinen fröhlichen, würdigen Abschluss, in einer Stadt, in der sich die Einwohner dem Seegedanken ganz besonders verpflichtet fühlen.


Noch ein letzter, kurzer "Schlag", dann liefen wir am 10. August 2001 in Warnemünde ein. Auch auf dieser 11. Hanse-Sail Rostock wurde in fröhlicher Atmosphäre die Ankunft der Windjammer gefeiert. In den 3 Tagen dieses Treffens der Rahsegler aus aller Welt feierten eine Million Menschen die Schiffe und deren Besatzungen. Wohin man auch auf einem Windjammer segelt, wo immer sich die Masten eines Rahseglers auch zeigen mögen, wo immer die geblähten Segel eines Traditionsseglers auf den Meeren der Welt zu sehen sind, ziehen diese Schiffe Millionen Menschen in ihren fast schon mystischen Bann. Begeistert jubelt man diesen Schiffen zu wo immer sie an den Piers der Hafenstädte der Welt anlegen.

Rostock hat die Zeichen der Zeit längst erkannt und richtete auch in diesem Jahr wieder eine Sailveranstaltung aus, die so recht den Wünschen der Schiffsliebhaber aus ganz Deutschland und Europa entsprach. Wenn man während des "open ship"-Betriebes mit den Besuchern sprach, dann hörte man die aus dem Herzen kommende Freude darüber, dass es sie noch gibt; die Windjammer aus einer längst vergangen geglaubten Zeit. Ein Schiff jedoch fehlte auf allen Etappen des "Cutty-Sark-Tallship-Race", nämlich die Viermastbak "Passat". Ich hätte mir gewünscht, dass die Politiker aus Lübeck-Travemünde die das Projekt "Passat-Sailing" aus unverständlichen Gründen abgeschmettert haben in den Regattahäfen dabei gewesen wären. Ich hätte gerne in dem Moment in ihre Gesichter geschaut als die Windjammer mit unglaublicher Freude und Enthusiasmus von Millionen Menschen empfangen und gefeiert wurden, von Menschen denen der wiederauflebende Gedanke der Windjammerfahrt und die Sache der Verwirklichung von Kameradschaft und Charakterbildung junger Windjammerfahrer unter weißen Segeln längst zu einer selbstverständlichen Angelegenheit des Herzens geworden ist.

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