Mit dem Klipper "Stad Amsterdam" von Porto nach Las Palmas

22. bis 29. November 2008

- Reisebericht von Ingeborg Hegner-

Im Jahre 2002 begegnete ich mit der Roald Amundsen vor Martinique diesem stolzen Segelschiff, das durch seine riesige holländische Flagge am Besan alle Blicke auf sich lenkte. Die trauen sich, dachte ich, und alte Ölgemälde von Schiffen kamen mir in den Sinn, die majestätisch unter vollen Segeln davon rauschten. Ich wusste gleich, dass es nicht die letzte Begegnung sein würde.

Wie durch des Schicksals Fügung, erreichte mich im Juni die Nachricht von Eckhardt, der eine Vereinsreise auf der Stad Amsterdam organisierte, zu der ich mich gleich anmeldete.

Am Samstag, dem 22.11.2008 trafen wir uns, wie verabredet zu dem gemeinsamen Flug nach Porto via Mallorca, am Münchener Flughafen. Dank Handy fanden mich Winfried, Wolfgang, Florian und Eckhardt sofort in der Wartehalle vor den Gates. Während sie sich vorher noch traditionell ein letztes bayrisches Bier einverleibten, war es mir gelungen, von Titan Oliver Kahn ein Autogramm zu ergattern. Auch er war auf dem Weg zu den Kanaren.

Als unser Flugzeug über Portos Hafen flog, hielten wir vergebens Ausschau nach "unserem Schiff". Sollte es etwa noch auf dem Weg sein? Wir hatten von einem Tiefdruckgebiet mit Sturm über Frankreich gehört, das es vielleicht aufgehalten haben könnte, vermuteten wir bangend.
Hier aber lachte die Sonne und das Thermometer zeigte 18 Grad Celsius. Mit der Taxe war der Hafen Leixoes schnell erreicht. Die Masten! Von Ferne konnten wir sie schon sehen und voller Erwartung und Freude standen wir bald mit unseren Seesäcken vor dem Klipper.
Wir wurden ganz herzlich von einem weiblichen Crewmitglied in adretter "Dienstkleidung" auf das blitzblanke Schiff gebeten und eingecheckt.
Hier wartete auch schon "unser Mann in Porto" auf uns. Thomas war schon zwei Tage eher angereist, um sich die schöne Stadt anzuschauen, welches uns leider entgangen ist.

Nach und nach belebte sich das großzügige Deck mit Trainees und Crewmitgliedern. Wir wurden an der gut ausgestatteten Wetbar zu einem Willkommenstrunk eingeladen. Hier machten wir uns erwartungsvoll mit den anderen Mitreisenden bekannt. Heiner aus Rheinland-Pfalz, ebenfalls ein Mitglied der Windjammerfreunde München, war schon seit Brest an Bord und würde die Reise bis über den Atlantik mitmachen. Harald erweiterte die bayerische Präsens, er kam aus der Nähe von Traunstein und hatte die Reise zum Geburtstag geschenkt bekommen.
So waren die bayerischen Windjammerfreunde an Bord gut aufgestellt. Neben einem weiteren deutschen Paar, reisten: ein amerikanisches Paar mit zwei englischen Freunden, zwei Belgier, ein polnisches Paar, ein Türke und natürlich einige Holländer, so dass es 18 Mitreisende kennen zu lernen galt. Die Bordsprache war im Prinzip Englisch.
Die Manöverbefehle wurden in Englisch gegeben und schnell lernten wir die Begriffe für Schoten, Brassen, Gordinge und Geitaue, an denen wir uns in der " blue watch" zu schaffen machten. Die Wachen wurden nach den holländischen Nationalfarben Rot, Weiß und Blau benannt. Wir hatten die bequeme 8-12-Wache und waren gut besetzt im Gegensatz zu den anderen Wachen.

Bald bezogen wir unsere geräumigen, gut beleuchteten Kabinen, mit einer bemerkenswert leisen Klimaanlage, einer Nasszelle, die mit Unterdruck-Toilette, Dusche und Waschbecken ausgestattet war. Ein Schrank mit zwei Abteilen, zwei große Schubladen unter den Kojen, ein Nachtschränkchen und ein Schreibtisch, bot zwei Personen ausreichend Platz für das Gepäck für diese siebentägige Reise.
Die Kojen waren mit dunkelblauen geschmackvollen Bettbezügen und die Nasszelle mit dunkelblauen Handtüchern aller Größen mit Schiffsmonogramm ausgestattet.

Zum ersten Mal auf einem Segelschiff, sah ich auch Waschhandschuhe für eine Wasser sparende Körperreinigung. Eine gute Idee!
Wasser wurde an Bord mittels Umkehrosmose hergestellt und stand ausreichend, auch heiß zur Verfügung. Jeden Morgen wurde die Schmutzwäsche von der blonden Wäschefee ausgetauscht.

Wir wollten am Abend noch etwas portugiesische Lebensart entdecken und starteten zu einem Barbesuch, der in einem einfachen Imbiss endete. Wir hatten die Suche nach der romantischen typisch portugiesischen Bar aufgegeben, nachdem uns eine Einheimische die Illusion geraubt hatte. Das was wir suchten gab es in Leixoes nicht, machte sie uns klar. Also beschränkten wir uns auf ein gutes Bier und beobachteten die Einheimischen, die hier die Spezialität, der unterschiedlich belegten Toasts mit und in verschieden Soßen zu sich nahmen.

Auf unserem Weg zum Schiff sahen wir viele landestypische geflieste Häuserfassaden in herrlichen Mustern. So endete der erste Landgang im schiffseigenen Salon an der Bar. Ausgestattet mit viel Holz und mit gepolsterten Sesseln und Bänken bot er mindestens 60 Personen Platz und war mit Sicherheit die schönste Bar vor Ort.
Hier wurde gezapftes Heineken getrunken, auch Softdrinks, Weine und Likörweine, aber auch Brandy. Marteen (der Hotelmanager), Milou und Nastasja versorgten uns bestens. Wie sich bei den späteren Partys zeigte, waren sie das perfekte Serviceteam.

Sonntag um 11 Uhr sollte die Abreise sein. Nach dem Frühstück im Salon sammelten wir uns an Deck und uns wurde die Crew vorgestellt. Alle waren mit "Dienstkleidung" ausgestattet, je nach Dienstgrad verschieden. Kapitän und Steuerleute trugen sandfarbene Jeans und hellblaue Hemden. Die Crew trug blaue Cargohosen, Polo- oder T-Shirts und warme Vliesjacken mit Schiffsmonogrammen. Die Servicedamen trugen weiße Shirts und dunkle Hosen. Warum ich dies erwähne? Ich war vorher wenig auf so genannten "Kreuzfahrtsegelschiffen" unterwegs und Vereinsschiffe boten nicht das durchgestylte Bild.

Wir wurden in Sicherheit eingewiesen und durften auch übungsweise die Schwimmwesten anlegen und ins Rettungsboot einsteigen. Unter diesen Bedingungen eine kuschelige Angelegenheit, wenn man vermied, über den Ernstfall nachzudenken. An einem Reisetag fand nach dem Mittagessen eine angekündigte Feuerwehrübung statt. In der Wäscherei war das vermeintliche Feuer ausgebrochen und durch die Feuermelder angezeigt worden. Nachdem der Alarm ausgelöst war, strömten die Passagiere aufs Hauptdeck und versammelte sich um den Koch Simon, der die Aufgabe hatte, die Schäfchen aufzurufen und die Anwesenheit festzustellen. Zwei Personen fehlten. Tim und Thomas wurden sehr schnell aus ihrer Mittagsruhe gerissen und standen schließlich etwas verschlafen an Deck.
Karel unser Bordarzt, breitete sofort die notwendigen Geräte an Deck aus, während sich der Feuer-Stoßtrupp in voller Montur mit Sauerstoffflaschen zum Brandherd vorarbeitete. Nachdem die Übung gut verlaufen war, wurde wie jeden Nachmittag um Drei Kaffee,Tee und Gebäck serviert und an den drei Geburtstagen gab es sogar Kuchen.

Nachdem wir den Hafen mit Lotsen unter Segel verlassen hatten, ging die Fahrt bei etwa 3-4 Bft an der portugiesischen Küste entlang, außerhalb eines Verkehrstrennungsgebietes, welches wir Nachts passierten. Der Wind nahm zu und versprach gutes Segeln bei 5-6 Bft. Der Kapitän empfahl uns das Leeboard anzubringen und die Matratze zu einer Mulde zu formen. Ein guter Tipp, der verhinderte, dass wir in unseren Kojen hin und her rollten.

Beim allabendlichen Briefing um 19 Uhr, nach dem Abendessen, informierte uns Richard, unser Kapitän, in einer Power-Point-Präsentation im "Long Room", dem Salon, über die hinter uns gelassenen Meilen, über das Wetter, die Wetteraussichten und den nächsten Way-point. Als Krönung der Präsentation zeigte er immer die Schnappschüsse des Tages, die stets für Erheiterung sorgten.

Am Montag, dem 24.11. hatten wir uns von der Küste längst entfernt und nahmen Kurs auf Porto Santo, der kleineren Insel nahe Madeira. Der Wetterbericht meldete weiterhin ein stabiles Hochdruckgebiet, aber abflauende Winde. Viele Trainees nutzen den Tag ins Rigg zu gehen und den Blick von einer Saling oder den Rahen in die Ferne zu genießen. Die Segel wurden fein getrimmt und der Kurs beibehalten. Wir machten streckenweise 13 Knoten. Nach dem abendlichen Briefing zeigte uns Mitfahrer Willi Gaeth seinen Film "Stad Amsterdam vor Warnemünde".

Dienstagabend waren wir in der Nähe von Porto Santo und hatten uns schon einen schönen Ankerplatz in einer, durch eine vorgelagerte Insel, windgeschützten Bucht ausgeguckt. Jetzt lernten wir auch den Begriff "Düse" kennen. Bis wir zwischen den beiden Inseln zum Ankerplatz kamen, wurden wir nochmals gut durchgerüttelt.

Dann begann die "Bauernnacht". Wir Trainees hatten wachfrei und nutzten die Gelegenheit für einen geselligen Umtrunk mit der wachfreien Crew, der schließlich in einer schwungvollen Party endete, bei der, so habe ich mir sagen lassen, sogar auf dem Tisch getanzt wurde ;-)

Mittwoch nahmen wir Kurs auf die Kanaren und ließen Madeira hinter uns. Bei einem Wind von 3 Bft machten wir immer noch ca. 7 Knoten Fahrt und dies hatte einen guten Grund. Wie uns der Kapitän im abendlichen Film zeigte, sind Klipper auf Tempo getrimmt. Ein speziell geformter Bootsrumpf, eine enorme Segelfläche von 2.200 qm an drei Masten, bei einer Länge von 76 m ermöglichen eine unglaublich schnelle Fahrt von max. 17 Knoten.

Zum ersten Mal konnte ich auch das Setzten des Leesegels erleben. In einer für mein Empfinden waghalsigen Aktion, wurden an den Rahen Beisegel an Leesegelspieren befestigt, um nochmals die Segelfläche zu vergrößern.
Die beiden weiblichen Crewmitglieder, die wie Akrobaten an den Rahen arbeiteten, wurden dabei von einer Schar "Paparazzi" verfolgt.

Beim abendlichen Briefing erfuhren wir, dass der Wind allmählich von Nordost auf Nordwest drehte und weiterhin bis auf 1 Bft abnehmen würde. Dies war auch der Grund, warum sich Richard entschloss nicht Madeira anzulaufen, sondern gleich nach Süden zu segeln. Wir hatten Kurs auf Teneriffa genommen. Im Anschluss an das abendliche Briefing wurde der kommentierte Stummfilm: "Around Cape Horn" gezeigt, der das Leben auf Segelschiffen in den Dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts beschrieb.

Am späten Donnerstagabend suchten wir nach einem geeigneten Ankerplatz an der östlichen Seite von Teneriffa. Der Anker war schon gefallen und wir legten uns bald in die Koje. Am nächsten Morgen verwirrte der Blick aus dem Bullauge.
Konnte es Strömung sein? Das Wasser floss mit einer unheimlichen Geschwindigkeit daran vorbei. Wie ich dann erfuhr, sind wir früh morgens von unserem Ankerplatz vertrieben worden und seitdem in Richtung Gran Canaria unterwegs.

An diesem Tag kam dann die Kür: Wenden und Halsen in vorbildlicher Art und Weise zwischen Teneriffa und Gran Canaria. Was hatten wir nicht schon alles an seglerischen Delikatessen erlebt?: Ablegen unter Segeln, Ankern und Anker auf ohne Maschine, Leesegel und Besan setzen, Navigation mit Sextanten (trotz modernster Geräte), Kompasspeilung und schließlich rückwärts an eine Pier anlegen mit Segelschiff, dank Bugstrahlruder. Wo erlebt man das sonst noch?

Von den gesamt 931 Seemeilen sind wir nur 15 Sm mit der sehr ruhigen Maschine, die so unscheinbar in Eriks Motorraum arbeitete, gefahren. Überhaupt war das Schiff ausgezeichnet gedämmt. Man merkte, dass es neuester Bauart war und gerade acht Jahre alt ist. Von den Nachbarkabinen waren kaum Geräusche zu vernehmen und die Klimaanlage säuselte mich leise in den Schlaf. Beim Besuch der beiden unteren Decks, sahen wir das gut ausgerüstete Hospital, die edelstahlglänzende Kombüse, den Mannschaftssalon und Crew-Kabinen, die Wäscherei, die mit Waschmaschinen und Trockner ausgerüstet, immer für frische Wäsche sorgte. Selbst eine haushaltsübliche Nähmaschine habe ich gesehen.

Samstag wollten wir um 10 Uhr den Lotsen aufnehmen und in den riesigen Hafen Las Palmas einlaufen. In der Nacht trieben wir langsam auf Gran Canaria zu ohne zu ankern. Die Inseln waren prächtig beleuchtet und schienen zum Greifen nah. Überhaupt sahen wir so manche Nacht einen prächtigen Sternenhimmel, fern ab von jeder Lichtquelle unendlich weit.

Die "blue watch" hatte immer das Glück, das Schiff zu ankern oder dem Land näher zu bringen. So auch an diesem Samstag. Gegen Mittag lagen wir an der Pier und betraten spanischen Boden. Ein Spaziergang durch die Stadt, ein Drink und auch Kaffee und Kuchen auf noch schwankendem Boden, vermittelten richtiges Urlaubsgefühl. Heute Abend sollte die Abschiedsparty an Deck stattfinden.
Wir wussten, wir konnten uns auf die erprobte Crew verlassen. Um 20 Uhr legte das "Traumschiff" Aida hinter uns mit großem Getöse ab. Wie unterschiedlich die Größe, wie unterschiedlich die Ziele und Wünsche der Gäste, wie unterschiedlich die Schiffe! Keiner der Segelfreunde wollte tauschen. Nur mancher Aida-Gast schaute sehnsüchtig auf uns hinab.

Die Bar war eröffnet, die Party lief langsam an, um zur fortgeschrittenen Stunde bei Blues, Samba und Rock'n'Roll überzuschäumen. Mancher Passagier entdeckte sein tänzerisches Talent und Karel gab uns mit Zigarre und Sonnenbrille den Jack Nicholson.
Neue Crew-Mitglieder feierten gleich mit und stimmten sich auf die kommende Atlantiküberquerung ein.

Etwas verschlafen trafen sich die Partyfreunde am nächsten Morgen im Salon. Es war Zeit den Seesack zu packen und die Kabinen zu räumen. Die neuen Mitfahrer waren unterwegs. Wir saßen noch an Deck und verabschiedeten die Mitreisenden, als schon Proviant herangeschleppt wurde. Ganze Schinken, Lachs, Butter, Käse, Obst und andere Leckereien, ließen uns die neuen Gäste beneiden. Offensichtlich war die "Ära des Hackbratens" vorbei. Schade, dass wir nicht diesen Törn gebucht hatten. Nur Heiner blieb an Bord.

Die verbleibende Zeit nutzten wir Windjammerfeunde für eine Stadtrundfahrt und mancher um sich noch im Hotel einzuchecken. Ich kehrte noch einmal zum Schiff zurück, um meinen Rucksack zu holen. Die Crew hatte sich zum Briefing in den Salon zurückgezogen. Die neuen Gäste waren schon bei der Anreise. Ich bin sicher, dass der eine oder andere Windjammerfreund dieses Schiff wieder betreten wird. Ein segelfreudiger Kapitän, eine nette, professionelle Crew und ein wunderbares Schiff, was braucht man mehr?

 

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