Mit der Sedov von Wilhelmshaven nach Murmansk

Reisebericht von Werner Drews aus Hamburg

(Seite 4 von 4)

Murmansk ,den 3.10.2000

Gegen 09:30 Uhr bin ich diesen Morgen im Leninraum und mache mir einen Tee. Und es geht mir relativ gut heute Morgen. Nach dem Mittagessen waren wir auf dem Weg an Land und wurden von Joseph, dem Admiral, wieder zurück geschickt, da er uns nach drei Tagen anmelden muss und den Pass braucht. Viktor machte einen Zettel fertig und nach einer Stunde Warten konnten wir dann endlich wieder los. Wir nahmen jetzt den selben Weg in Richtung Tor.

Bei Tage sieht der Hafen noch erbärmlicher aus. 

Im Hafen von Murmansk      alles ein wenig brüchig     Die Krane stehen verrottet herum.     

Hier wurden einmal Schiffe entladen, Schiffe repariert und es war sicher Leben an den Kais. Jetzt sind die Kaianlagen verlassen und es drehen keine Kräne mehr. Verrottetes Eisen, alte Maschinen die nutzlos rumstehen, Mauern die langsam abbröckeln, halb demontierte Kräne die einfach verlassen rumstehen. In der Nähe des Liegeplatzes der SEDOV ist ein Liegeplatz für Ölentsorger und das Ganze sieht wie ein riesiger Schrottplatz aus. Es gibt eine Menge wilder Hunde im Gelände, die sich an Abfalltonnen zu schaffen machen. Sie sind richtig bissig und kämpfen um jeden Bissen den sie erwischen können. Wie aus einem Horrorfilm.

Jetzt hatte ich wieder kein Ausweispapier für den Wachmann am Tor. Rudi hatte einen Ausweis für einen Jachtclub mit einem Eintrag, von Viktor unterschrieben, dabei. Aber am Tor hatten wir überhaupt keine Probleme. Mein altes Seefahrtsbuch wurde auch anerkannt. Wir machten unsere Runde durch die Stadt und zum Abendessen waren wir dann wieder an Bord.

Heute Abend sind wir bei Roshana und Sascha eingeladen, es gibt was zu Essen - auf die rustikale Art. Es darf auch nicht geraucht werden. Rauchen draußen! Es ist wieder die Runde zusammen gekommen. Später kommt Simon mit seiner Mutter, die Tochter von Gallianow. Auch sie spricht den Getränken gut zu. Es wird auch, wie immer, getanzt.

Am Abend treffen wir dann noch Segelmacher Igor und den alten Chef-Bootsmann Valodi. Igor muss mit seinem Bein noch mal Ende des Monats unters Messer, er macht überhaupt keinen guten Eindruck.

Auch haben wir noch nicht die Pässe zurück und könnten nicht an Land. Simon läuft mir über den Weg und es gibt ein neues Problem. Irgend etwas ist mit meinem Visum nicht in Ordnung. Er kann aber auch nicht sagen was! Richtig gut fühle ich mich erst, wenn ich im Flieger von St. Petersburg nach Hamburg sitze. Bei Roshana gibt es heute Abend Hähnchen.

Wie immer die gleichen Leute, und es ist ein gemütlicher Abend. Der Abschluss des Tages ist am Abend der Landgang. Wir sind auch schon in der Disko bekannt.  

Murmansk den 4.10.2000

Gestern Abend waren wir wieder bei Sascha in der Kammer eingeladen und man muss sich schon wundern, wie viele Leute da so reingehen. Wir haben wieder gegessen und getrunken.

Wir haben gefragt, ob es mal möglich wäre ein Stück in die Tundra zu fahren. Einfach nur ein Stück in die Wildnis. Das fanden sie gut und morgen, an unseren letzten Abend, wollen wir das machen. Nur, sie wollen gleich in Verbindung mit einer Fete was machen. Es geht nicht, dass man was Kleines, Simples veranstaltet, es muss eine große Fete gemacht werden. Nun was soll's?!

Diesen Abend habe ich fast nüchtern überstanden, ich glaube es war das erste Mal auf dieser Reise, dass ich nüchtern in die Koje gekommen bin! Man staune!

Ich habe bereits bis auf Kleinigkeiten meinen Seesack gepackt und habe dieses Übel nicht mehr. Rudi muss das noch erledigen. Nun, viel Zeit ist nicht mehr und morgen muss es passieren. Wir waren auch noch an Land und hatten eine Menge Spaß oder Ärger, ganz wie man will. Wir gingen noch zu anderen Örtlichkeiten und hatten uns dann aus den Augen verloren. Es war sehr früh Morgens und ein Jeder suchte den Anderen. Ich gab das Suchen auf, denn ich hoffte dass Rudi an Bord ist. Ich also an Bord und meine erste Frage an den Wachmann war: "Ist Rudi schon an Bord?" Er war noch nicht eingetroffen, war die Antwort. Jetzt machte ich mir erst einmal richtige Gedanken.

War noch eine Weile im Lenin-Raum und wartete. Nach einer Stunde ging ich dann in die Koje. Mir war nicht gut dabei, dass Rudi noch immer nicht da war. Nach einer Stunde etwa klopfte er dann an meine Kammertür und ich war noch nie so froh, Rudi wieder zusehen.

Im Lenin-Raum feierten wir dann mit einem Tschetschenen und einem Russen aus Murmansk den guten Ausgang dieser Nacht. Die beiden hatten Rudi aufgegabelt und mit dem Auto an Bord gebracht. Rudi hatte Mühe die Beiden an Bord zu bekommen. Das Problem lag beim Wachmann am Tor. Nun, Rudi hat auch das geschafft. Es wurden auch noch einige Fotos gemacht. Ich war auf jeden Fall heilfroh, dass Rudi heil an Bord war.

Irgendwann gegen 08:00 Uhr Morgens ging es dann in die Koje.

Murmansk, den 5.10.2000

Habe logischerweise lange geschlafen. Müssen ja erst heute Abend wieder fit sein. Zum Mittag war ich auch wieder ansprechbar.

Nachmittags hatte Rudi mit seinem Gepäck zu tun und ich hing im Lenin-Raum rum. Ab und zu war ich an Deck zum Auslüften, aber es war nichts Außergewöhnliches los.

Unsere Pässe waren noch immer nicht an Bord und man machte sich schon Gedanken, weil wir ja am nächsten Tag fliegen wollten. Aber erst einmal  haben wir noch die Arktis-Party im Programm.

Wir waren zu 18:00 Uhr am Tor verabredet. Luba musste wegen Erkältung absagen, aber sonst war die alte Runde versammelt.

Wir waren zum abgesprochenen Zeitpunkt am Tor und warteten auf Elektrik.

Mit einer Stunde Verspätung kam er dann. Das Auto war nicht angesprungen und sie fingen erst mal an, von Hand die Reifen aufzupumpen.

Wir hatten zwei Autos, das andere war von Simon. Kamen dann auch nach einer Stunde los. Unterwegs wurde noch Proviant zugekauft. Dann konnte es losgehen und wir düsten in Richtung Tundra. Mit dem Wetter hatten wir auch Glück.

Die Temperatur war gut auszuhalten, so bei 6-7°. Aber es war trocken. Wir hatten einen wunderbaren Sonnenuntergang.  

Rudi mit Wurst in der Tundra     Es wurde wieder reichlich ausgeschenkt

Ein Lagerfeuer, wie die kleinen Jungs    Abendstimmung in der Tundra

Auf der anderen Seite von Murmansk ist ein Hotel auf dem Berg und in diese Richtung fuhren wir dann. Auf der Straße in Richtung Kola sind kleine Seen und hier wurden Autos am Straßenrand gewaschen. Das Hotel hat eine eigene Auffahrt, dort bogen wir ein. Hatten schnell einen Platz gefunden. Von diesem Platz kann man ins Tal sehen und dort liegt dann auch Murmansk. Es war an Alles gedacht, sogar Musik war vorhanden. Das Kofferradio stand auf dem Autodach und beschallte die Gegend. Zunächst wurde Holz für das Lagerfeuer gesammelt und es wurde auch gleich angezündet. Zu essen war reichlich vorhanden, sowie zu Trinken, mit Prozenten und ohne Prozente.

Würstchen wurden auf kleine Stöckchen gespießt und über den offenen Feuer gegrillt, es war Brot da und dann wurden Plastikbecher mit geistigen Getränken gereicht. Dann immer wieder die Trinksprüche, schade dass sie in Russisch sind und ich sie nicht verstehen konnte.

Zur Musik aus dem Kofferradio wurde getanzt. In Paaren oder Alle zusammen! Die Stimmung war wirklich gut und locker.

Mittlerweilen ist es stockdunkle Nacht geworden und im Tal glitzerten die Lichter von Murmansk. Gegen 21:00 Uhr wurde alles zusammen gepackt und wir fuhren in Richtung SEDOV. Auf dem Weg dorthin machten wir noch Station bei der Mutter von Simon. Seine Mutter ist künstlerisch begabt, sie malt. Wir kamen in ihr Büro, sie trainiert Frauen in wirtschaftlichen Fragen und wurde gerade von einem Maler in einer Kohlezeichnung portraitiert. Wir verabschiedeten uns bei ihr und fuhren an Bord.

An Bord war jetzt endlich mein Pass. Aber es gab ein neues Problem! Im abgegebenen Pass war meine Deklaration über meine Valuta und die war jetzt nicht mehr da. Simon meinte, das sei kein Dokument und wäre auch kein Problem. Da war ich aber mal gespannt, in St. Petersburg wenn wir zum Flieger nach Hamburg einchecken wollen.

Im Lenin-Raum vernichteten wir die  letzten Reste. Igor und Valodi teilten sich die letzte Dose Bier die Rudi noch hatte. Der Kulturraum war bis auf Softdrinks leergefegt. Man könnte auch sagen leergesoffen, aber das hört sich nicht gut an.

Die Wache hatte Order zu 05:30 Uhr zu wecken. Es war so um Mitternacht und wir mussten auch noch bei John reinschauen. Er war heute etwas besser drauf. Wollte mir noch einen Brief mitgeben. Nur das Problem war: Wer schreibt ihn? Also wurde nichts aus diesem Brief. Wir stießen noch mal an.

Es war spät als wir zur Koje kamen. 

Murmansk, den 6.10.2000

Der Nachtwächter von Bord hatte heute morgen zu spät geweckt. Es blieb keine Zeit einen Kaffee zu trinken und einen Keks zu essen.

Der Admiral hatte uns den Bus von der Akademie geordert, der uns zum Flugplatz bringen soll und er stand auch pünktlich an der Pier. Es war noch dunkle Nacht und ich war es nicht mehr gewohnt, so früh aufzustehen. Wir sind zu früh auf den Flugplatz und es war noch wenig Betrieb. Jetzt holten wir erst mal das Frühstück nach. Ein einfacher Kaffee tat es an dem Morgen auch. Einen Tisch weiter begainnen zwei Russen den Tag mit Lachsbrötchen und einem dreifachen Wodka. Ich könnte mich schütteln. Die Abflugzeit kam näher und nichts passierte. Auf der Anzeigetafel wurde unser Flug um eine Stunde verschoben. Keiner der Fluggäste wusste warum - einfach verschoben. Ich habe noch keine Flughalle so gut kennen gelernt, wie die in Murmansk. Unser Abflug wurde mehrere Male um jeweils eine Stunde verschoben. Rudi wollte wissen was los ist und fragte in einem der Büros, was los ist.

In St. Petersburg war Nebel mit einer Sichtweite unter 10 m. Gegen Mittag ging es dann endlich zum Einchecken. Beim Einklarieren des Gepäcks war Rudi vor mir und er hatte nur sein Sturmgepäck, ich mit meinen Seesack lag 5 kg drüber aber ich blieb ungeschoren, da Rudi so wenig hatte und die Damen sahen, dass wir zusammen gehören. Erst mal wieder warten und nach einer Stunde kam der Bus vorgefahren. Nach kurzem Zögern bestiegen die Passagiere den Bus. Der Bus bleibt noch stehen und nach 15 Minuten hieß es dann wieder "Alles aussteigen" und es wurde weiter gewartet. Nach einer Stunde fuhr uns der Bus zum Flieger. Jetzt ging alles seinen geregelten Gang und um ca.14:00 Uhr sind wir dann in St. Petersburg gelandet.

Nikolai, der ehemalige Koch von der SEDOV holte uns in St. Petersburg ab. Er war schon in der Stadt gewesen und wieder zurück zum Flughafen gekommen. Wir nahmen den Bus in die Stadt. Er war proppenvoll und ich stand mit meinen Seesack im Eingang der Tür. An einer Station wollte Einer aussteigen und fing an zu Mosern. Rudi stand oben und wollte meinen Seesack hoch wuchten damit der Mann aussteigen kann, bekam aber die Tasche eines anderen Fahrgastes zu fassen, statt meinen Seesack, der fing natürlich auch an zu Mosern und es kam Stimmung auf.

Irgendwo stiegen wir dann aus und wechselten in die Metro. Hier war das Chaos noch größer, denn es gab Menschenmassen ohne Ende und wir mussten aufpassen dass wir uns nicht aus den Augen verloren und zusammenblieben. Wenn ich Nikolai aus den Augen verloren hätte, ich würde wohl noch heute in St. Petersburg herumirren. In der Metrostation stand man an einer Schiebetür, die in einer Nische war. Wenn der Zug in die Station einfuhr, gingen die schweren Türen auf und die Türen vom Zug auch. Der Zug stand passend. Erst wurde ausgestiegen und dann konnte man in den Zug einsteigen. Es war ein Drängen, Schieben und Stoßen. Mit etwas Rauheit kam man dann auch rein. Wie viele Stationen wir fuhren, weiß ich nicht. Wir mussten nur noch einmal umsteigen. Mit Rolltreppen fuhr man dann nach oben, diese können 50-60 Meter hoch sein.

Als wir endlich aus der Erde nach oben gekommen sind haben wir erst mal Pause mit einem Bier und einer Zigarette gemacht. Als wir oben mit dem Bier standen, habe ich mir geschworen, wenn wir Morgen zurück fahren nehmen wir ein Taxi, diese Scheiße mache ICH nicht noch einmal mit.

Nach unserer Pause nahmen wir dann ein Sammeltaxi und fuhren zu Kolja. Ich war heilfroh meinen Seesack nicht mehr schleppen zu müssen. Kolja machte für uns was zu Essen und so ganz nebenbei tranken wir was.

In St. Petersburg      In St. Petersburg

Nach dem Essen machten wir uns auf den Weg in das Zentrum der Kultur. Schauten uns im Schnelldurchgang die historischen Ecken von St. Petersburg an. Wir landeten in der Kneipe "Chaika". Hier gibt es alles vom Feinsten. Der Mann an der Garderobe trägt seinen Colt offen und ich bin fest davon überzeugt, dass er echt ist! Wir bestellten Rudi Heimatbier, ein schönes Jever. Im Lokal waren viele Touristen. Aber auch die Damen, die warten und mit einem Drink auskommen.

Gegen Mitternacht meinte Rudi, "mir reicht's" und ließ sein Bier stehen. Das habe ich bei Ihm noch niemals erlebt. Nun wie gesagt, ich hatte auch genug!

Mit einer nicht legalen Taxe, die man einfach am Straßenrand anhalten kann und wo man gleich den Preis aushandelt, fuhren wir dann zu Nikolai nach Hause.

St. Petersburg, den 7.10.2000

Wir waren am nächsten Morgen recht gut erholt, und nach dem Frühstück gegen 10:.00 Uhr machten wir uns auf den Weg zum Flugplatz. Es war aber auch schon wieder neblig. Mit einer wilden Taxe fuhren wir zum Flugplatz. Das Auto, mit dem wir da fuhren, wäre in Deutschland gleich in den Hochofen gegangen. Ein Sachverständiger hätte das nach einer Minute festgestellt.

Beim Einchecken wurde es wieder komisch. Ich hatte keine Deklaration, das interessierte jedoch Niemanden. Ich hatte vorher eine Erklärung ausgefüllt, das war in Ordnung. Rudi reiste mit Seefahrtsbuch und damit hatten sie Probleme. Er hatte zwar in Murmansk ein Ausreisepapier bekommen, aber das Seefahrtsbuch war ihnen zu exotisch. Rudi hatte fast die ganzen Grenzbeamte aufgescheucht. Sie kamen aus allen Kabäuschen. Dazu kamen noch die Sprachprobleme. Englisch kaum, aber Deutsch ein bisschen besser. Sie gaben aber auf und wir hatten diese Hürde auch geschafft.

Der Flug wurde wieder wegen Nebel verschoben. Auch andere deutsche Fluggäste maulten. In St. Petersburg haben wir dann schließlich nur vier Stunden gewartet. Wir waren heilfroh als der Vogel in St. Petersburg von der Piste abhob.

In Hamburg war das beste Wetter und wir hatten wieder deutschen Boden unter den Füßen.

"Und wir wurden abgeholt!"

Mit Liebe zum Detail gezeichnet

Unsere Reise gezeichnet von Sascha, dem 1. Steuermann

Vorige Seite       Zurück zu Reiseberichte