Mit der Sedov von Wilhelmshaven nach Murmansk

Reisebericht von Werner Drews aus Hamburg

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Murmansk den 29.9.2000

Bin heute Mittag gegen 12.00 Uhr aufgestanden. Das hatte ich ja noch gar nicht. Nachts war ich mit Rudi an Land gewesen und heute morgen haben wir einen Teil der Trainees verabschiedet. Sie wurden mit dem Bus der Uni abgeholt und dann bin ich in die Koje gekrabbelt. Nachmittags war ich dann mit Rudi an Land und wir haben im ARCTIKA zwei Bier getrunken. Zum Abendessen waren wir wieder an Bord. Zu später Stunde sind wir dann wieder an Land getobt. Wir waren im "DOUBBEL FOUR", eine Pinte, ganz im westlichen Stil und man konnte auch gut ein Bier trinken.

Langsam ist der Bock aber fett!

Irgend wann macht der Körper es nicht mehr mit. Ich meine den unsoliden Lebenswandel. Ich muss langsam zurückstecken! Zum Mittag schauten wir ein wenig in die nähere Umgebung an der Pier.

Es gibt hier eine kleine Werft. Sie machen nur Reparaturen. Nebenan liegt ein Eisbrecher mit Atomantrieb. Nur bis dort kamen wir nicht. Er lag an einer anderen Pier und es gab keine Möglichkeit dorthin zu kommen.

Die Pier könnte mal renoviert werden!       Alles ein wenig desolat!

Aber die Werft wo wir waren, schrecklich. Soviel Unordnung und Dreck habe ich noch nicht gesehen. Ich kann mir einfach nicht vorstellen dass man hier Arbeit nach Maß anfertigen kann. Abenteuerlich.

Anschließend landeten wir im ARCTIKA, wo ich nur Kaffee getrunken habe. Auf dem Rückweg haben wir uns kleine Kuchen für das zweite Frühstück mitgenommen.

Am Magazin stehen die ganzen Geldwechsler und man wird jedes Mal angesprochen um Geld zu tauschen.

An Bord haben wir erst einmal was gegessen und dann hing ich rum. Später kamen die Üblichen. Rudi mit zwei Hühnern und zum Schluss kam dann auch noch Viktor. Er hatte ein hübsches Mädchen neben sich sitzen. Es wurde wieder getanzt.

Konstantinowitch mit Yvonne

Auch Joseph, der Admiral war mit uns an der Back. Dann war auch noch Simon, der Urenkel von Gallianow mit von der Partie. Er macht den Laufburschen von Seitzew und ist auch so nervös wie dieser. Er musste das Flugticket für Rudi besorgen. Und er sollte eine Verbindung suchen, dass wir zusammen nach Hamburg fliegen können. Ich legte eine CD in die Maschine und dann kam richtig Stimmung auf. Selbst Rudi kam in die Puschen und auch ich musste tanzen. Soviel wie in Murmansk habe ich schon fünf Jahre nicht mehr getanzt. Ich war schon fast auf den Geschmack gekommen. Kathinka erzählte mir, dass sie Modell werden möchte. Wir redeten ihr das aus. Motormann Nikolai kam in den Salon und wurde von Viktor gleich rausgeworfen. Warum weiß ich nicht.

Ich bin dann mit Rudi an Land gegangen. Wie gehabt. Über die Brücke, über die Gleise und ansonsten wie üblich. Aber es war gegen 01:00 Uhr Morgens. Um 03:00 Uhr fanden wir dann zurück. Und als wir zur SEDOV kamen, mussten wir mit einem großen Schritt auf die SEDOV springen. Es ist Ebbe und Flut und immer wenn wir von Land zurück kamen mussten sie die Gangway wegnehmen. Aber mit vereinten Kräften bekamen wir Rudi an Bord. Im Lenin-Raum nahmen wir noch den Absacker. Um 04:00 Uhr verschwand ich dann in der Koje.

Murmansk, den 30.9.2000

Ich habe im Lenin-Raum das Schlachtfeld ein wenig aufgeklart. Es war nur ein mittleres Chaos.  

Nur ein klein wenig Chaos im Leninraum

Heute Abend sind wir bei Elektrik-Sergej zu Hause eingeladen. Tagsüber waren wir recht friedlich.

So gegen 17.00 Uhr fuhren wir mit den Bus zu Elektrik-Sergej. Er wohnt in einem Plattenbauhaus an einem Abhang. Der Weg zu seinem Haus ist abenteuerlich und kann nur bei Tageslicht begangen werden. Ich weiß nicht, wenn im Winter alles glatt ist, ob man dann nach oben kommt. Sergej wohnt im ersten Stock und die Wohnung ist gut eingerichtet. Wir sind etwa zehn Personen.

Fete in Murmansk bei Elektirker Sergej       Fete bei Sergej

Ohne Tanzen geht in Russland garnichts       und es wurde weiter getanzt

Roshana, Steuermann Sascha, Lena, die Frau von Seitzew, Funker Sergej, Luba von der Wolga, Mariena die Frau vom Elektriker, Rudi und dann noch ich. Mehr Personen dürften es aber auch nicht sein. Sitzen in der Stube an einem großen Tisch. Sergej hat selbst gekocht und es schmeckt ausgezeichnet. Der Tisch biegt sich, soviel Sachen sind zum Essen aufgetischt. Dann immer wieder die Wodkarunde. Es werden auch immer wieder Toasts gebracht. Gegen 21:00 Uhr ist das Essen weitgehend abgeschlossen. Es kommen Saschas Sohn, Kathinka und Simon. Die bekommen natürlich auch noch was zu Essen. Die beiden Sergejs sind mittlerweile unterwegs und besorgen das Dessert. Und wieder geht das Tanzen los. Funker ist für die Auswahl der Musik zuständig. Es wird immer lauter und wilder. Zwischendurch wird mal wieder was gegessen und Kaffee getrunken. Zum Rauchen geht es von Zeit zu Zeit in die Küche. Und es treffen sich dann wieder alle dort. Irgendwann nach Mitternacht machen wir uns auf den Heimweg an Bord. Simon fährt uns in mehreren Fuhren nach Hause und an Bord.

An Deck sind sie gerade dabei die Gangway umzutakeln. Wir helfen dabei, sie mit der Talje einzuklappen. Das ist das erste Mal auf dieser Reise dass ich gearbeitet habe. Nach einem kleinen Absacker im Leninraum suchen wir die Koje auf. Waren auch noch bei John auf einen kleinen Schluck. Im Logie habe ich mich bei Rudi II verabschiedet. Seit die letzten Trainees weg sind, wohne ich in einer Lehrerkammer an Backbordseite, achtern.

Simon hat auch die Flugtickets für uns besorgt. Wir fliegen zusammen am 7.10.2000 von Murmansk nach Hamburg.

Murmansk, Sonntag den 1.10.2000

Langsam werde ich wach und treffe Rudi zum 2.Frühstück. Das erste ist ja wegen Müdigkeit ausgefallen.

Es ist so gegen 11:00 Uhr und draußen an Deck ist schon richtig was los. Besucher soweit das Auge reicht. An Land steht eine endlose Schlange und Polizisten lassen die Besucher schubweise an die Pier. An Bord kommen sie auch nicht anders. Ich habe meine Kamera genommen und wir wollen die Menschenmassen fotografieren.

Besucher vor der Sedov    Sedov an der Passagierpier

Rudi erledigt seine Telefonate und wir steuern auf das ARCTIKA los. Nehmen den Weg durch den Bahnhof und treffen hier einen aus der obersten Etage der Akademie, breit wie eine Flunder. An Bord machen wir erst einmal Mittag. Am späten Nachmittag nehmen wir noch einen kleinen Abschiedstrunk mit Sascha und Familie. Klein Sascha und Kathinka fahren nach Hause. Sie fahren über Moskau ans Schwarze Meer. Nach Bukonowa, sie sind etwa drei Tage unterwegs.

Abends bringen wir die Beiden dann zum Zug. Dieser Zug hat nur Schlafwagen und ein Restaurant. Am Zug wird noch eine Flasche Wodka ganz rustikal getrunken, von dem Oberen, der auch nach Moskau fährt. Die Chefin des Waggons hat richtig zu tun, ihn auch mitzubekommen. Roshana und Sascha gehen an Bord. Rudi und ich ins "Doubbel Four".

Auch an diesen Tag ist es mal wieder spät geworden. An Bord noch ein kleinen Absacker bei John, denn der hat heute seinen 42. Geburtstag. Er ist schon etwas abgefüllt. Kadetten von früheren Lehrgängen, wollten es sich nicht nehmen lassen, ihm zu seinem Geburtstag zu gratulieren.

Murmansk, den 2.10.2000

Auch heute am Montag ist das Wetter noch gut und trocken. Im Leninraum wieder das zweite Frühstück mit Rudi. Wir liegen noch an der Pier und es fahren ständig kleine LKWs vor, die die im Westen eingekauften Alkoholika abholen. Diese Sachen sind für die große Feier der Uni in Murmansk bestimmt. Es herrscht reger Verkehr vor dem Schiff. Es sind auch Schulklassen da, die das Schiff besichtigen. Am späteren Nachmittag werden die Vorbereitungen für das Verholen der SEDOV in den Fischereihafen getroffen. Um 18:00 Uhr ist es dann so weit. Mit zwei Schleppern wird die SEDOV dann von der Pier gezogen, rückwärts aus den Becken, drehen nach Steuerbord und dann gemächlich in Richtung Fischereihafen. In den Docks der Werften liegen eine Menge Atom-Eisbrecher, die der "besonderen" Art. Es sind ganz schön große Geräte. Nach etwa einer Stunde sind wir dann am neuen Liegeplatz. Wir liegen inmitten einer verrotteten Fischfabrik. Es stinkt noch mächtig nach faulendem Fisch. Hinter einem Fabrikhaus sieht es aus wie auf einer Müllkippe. Alte Verpackungen, Plastikfolien die der Wind vor sich her treibt. Müll wo man hinschaut Verwesung und Untergang. Aus Rohrleitungen kommt Dampf, wo die Flansche kaputt sind oder einfach durchgegammelt. Nach dem Festmachen wird noch mal das Deck abgespritzt und dann kehrt Ruhe ein. Konstantinowitsch hat Gangway-Wache.

Wir haben noch mal auf Johns Geburtstag angestoßen. Wir hatten noch Wodka mitgebracht. Nach dem Zweiten fing John an temperamentvoll zu werden, aber das wollten wir nicht mitmachen und sind gegangen. Bei Sascha war es recht angenehm und es gab Würstchen und natürlich auch was zu Ttrinken. Rudi hat noch Arthur angerufen, der hatte auch Geburtstag. Arthur war als Steuermann auf der SEDOV gefahren und aus unbekannten Gründen von Bord gegangen worden. Es war auch Genna an Bord, der zur Zeit noch Urlaub hat und einen Besuch auf der SEDOV machte.

In die Koje hatte ich noch keine Lust, landete im Leninraum und hörte Musik. Irgendwann hatte ich keine Lust mehr und beschloss an Land zu gehen. Sascha hatte uns gesagt, "wir können noch nicht an Land, weil der Wachmann am Tor noch keine Mannschaftsliste hat". Ich nahm mein altes Seefahrtsbuch und weg war ich. Nachts ist im Hafen nicht soviel Licht und ich nahm den Weg an der Wasserseite in totaler Dunkelheit. Der Weg ging über eine verlassene Pier, an der mal Fischdampfer gelöscht wurden. Diese Pier war mit Abfällen übersät und man musste genau schauen wo man hintrat. Es war ein abenteuerlicher Weg, aber ich kam ans Tor. Konnte auch den Wachmann mit meinem Seefahrtsbuch überzeugen. Es war nicht besonders schwierig raus zukommen Wir lagen jetzt etwas weiter von der Stadt weg, der Weg war eine halbe Stunde lang.

Im Zentrum am Bahnhof trank ich ein paar Bier. Zurück nahm ich mir eine Taxe. Der Fahrer war mit 20 Rubel einverstanden, nur er brachte mich an ein Tor das ich nicht kannte. Der Wachmann war schnell überzeugt von meinem Seefahrtsbuch und ich kam auch schnell rein in das Hafengelände. Nun fing eigentlich das Problem erst an. Ich konnte keine SEDOV finden. An einem Kai waren Arbeiter dabei ein Schiff zu löschen und diese fragte ich dann.

Ein Tallymann sagte mir dann wo die Sedov liegt, ungefähr sieben Kilometer in die Richtung aus der ich gekommen bin. Also wieder zurück. Erst einmal fand ich den Weg nicht zurück und ich musste suchen, aber nach einiger Zeit landete ich auch wieder am Tor. Nun musste ich den Wachmann wieder mit meinen Seefahrtsbuch überzeugen und ich brauchte eine andere Taxe.

Sieben Kilometer waren mir um diese Zeit zu weit. Er bestellte mir eine Taxe und ich wollte ihm was geben. Zweimal lehnte er ab, aber beim dritten Mal nicht mehr. Die Taxe war nach zehn Minuten da und ich war schnell wieder am richtigen Tor. Der Wachmann hier ließ mich ohne großen Kommentar passieren. Ich war dann gegen fünf Uhr in der Koje. Gott sei Dank!!!

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