Mit der Sedov von Wilhelmshaven nach Murmansk

Reisebericht von Werner Drews aus Hamburg

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Auf See, den 22.9.2000

Zeit Temp. Wind Kurs Geschw. Position Tiefe Etmal Distanz zur Küste
07:00 3° C 8 m/s 200° 4 Kn 71° 40' N, 28° 55' E 369 M 124,4 Nm 47 Nm Nordkinn
19:00 8° C Nebel  090° 1,5 Kn 71° 05' N, 29° 08' E 330 M     /  13 Nm Nordkinn

Am Nordkap

Bis Mittag hatten wir Nebel und auf einen Schlag dann das beste Wetter. Voraus an STB haben wir Land, es ist das Nordkap, zum zweiten Mal auf dieser Reise. In 10 Minuten ist Segelmanöver angemeldet. Es sind nicht alle Segel gesetzt und vielleicht nehmen sie sie weg. An STB ist das Nordkinn im blauen Dunst zu sehen. In allen Masten sind Trainees. Yvonne ist mit Sturmvogel nach oben in den Top vom Besanmast gestiegen. Yvonne braucht Fotos für die Zeitung. Aber auch ganz schnell ist es wieder neblig und kalt. 

Rudi bekommt seine Torten

Gegen 20:00 Uhr ist die Geburtstagsfete von Rudi angesagt. Rudi scheint nicht mehr der Frischeste zu sein. Von den Damen werden zwei Torten gebracht, Rudi muss sie anschneiden, einige trinken Bier dazu. Er bekommt auch Geschenke die von den Seeleuten selbst gebastelt sind. Die Kadetten haben ihm ein Geduldsspiel gebastelt. Der Zahnarzt hat Ihm ein Glas mit Porträt graviert, wo er aussieht wie16 Jahre.  

Rudi mit dem Glas vom Zahnarzt

Die Lehrer sitzen alle an einem Tisch und ebenso die Decksleute. Die Trainees sitzen Anfangs auch zusammen, aber dann auch überall. Der Funker bringt Musik, russisch und so weiter. Anfangs geht es recht gesittet zu, aber mit zunehmenden Alkoholspiegel wird es ausgelassener. Selbst Konstantin und Lenin schwingen das Tanzbein. Kathinka tanzt viel mit dem Maler, der ein guter Tänzer ist. Auch Yvonne ist viel auf dem Parkett. Irgendwann mache ich den Kellner und Sergej meint ich soll auf Rudi aufpassen, denn der scheint gut drauf zu sein. Der Abend geht gut über die Bühne, alle sind zufrieden. Am Ende der Fete klare ich das Gröbste auf, damit es bei Seegang nicht über Stag geht. Am meisten habe ich Bedenken wegen der steilen Treppe ins Matrosendeck. Rudi macht alles mit Bravour und nur beim hohen Süll in den Offiziersgang strauchelt er. Er muss unbedingt auf die Brücke wegen der Schiffsinformationen. Es war eine schöne Party und zu Ende war die Feier um 03.30 Uhr. Der Schiffszettel wurde etwas später ausgehängt!

 

 

Auf See, den 23.9.2000

Zeit Temp. Wind Kurs Geschw. Position Tiefe Etmal Distanz zur Küste
07:00 3° C 6 m/s 070° 4,5 Kn 71° 15' N, 29° 16' E 313 M 81,2 Nm 19 Nm
19:00 10° C 7 m/s  120° 5 Kn 70° 55' N, 31° 50' E 300 M     /  30 Nm

Yvonne war eben im Lenin-Raum und fing an zu nerven, ich sagte Ihr, an Deck wird eine Gallionsfigur überholt und schon war ich sie los.

Rudi ist wieder aufgetaucht, er lebt noch. Heute Abend ist für die, die gestern keine Zeit hatten, eine Fete. MEIN GOTT!!!

Auf See, den 24.9.2000  

Zeit Temp. Wind Kurs Geschw. Position Tiefe Etmal Distanz zur Küste
07:00 4° C 10 m/s 130° 6 Kn 70° 24' N, 34° 17' E 267 M 126,3 Nm 41 Russland
19:00 9° C 6 m/s  350° 2,1 Kn 69° 41' N, 37° 35' E 109 M     /  45

Segeln jetzt in Richtung Untergangsstelle der KURSK (18:30 Uhr, Liegeplatz 69° 40' N, 37° 35' E).

Die Kadetten sind dabei Weiß zu malen. Aber immer rauf auf den Rost. Zum Mittag hatten wir Hähnchenteile mit Nudeln und eine recht dünne Suppe. Wollte einen Mittagsschlaf halten, aber Berni schnarcht und ich liege neben Berni, nur durch eine Sperrholzplatte getrennt. Es geht nicht. Im Lenin-Raum wurden Karten gespielt und ich schreibe. 

Am Untergangsort der Kursk Um 18.30 Uhr haben wir die Untergangsstelle erreicht. Kadetten in Uniform sind auf dem Achterdeck angetreten. Sascha der erste Steuermann leitet die Aktion. Es sind auch die Anderen erschienen. Auf Kommando nehmen die Kadetten Ihre Mützen ab, die Flagge wird auf Halbmast geholt, Sascha hält eine kurze Ansprache, das Typhon heult eine Minute, die Blumen werden von Konstantinowitsch ins Meer geworfen und die Flagge wird wieder hochgeholt. Die Kadetten treten weg. In der Nähe der Untergangsstelle liegen russische Kriegsschiffe, auch Bergungsschiffe sind in der Nähe. Bei der SEDOV wurde über Funk angefragt, welches Schiff wir sind und was wir hier wollen. Es ist eine packende Zeremonie gewesen.

Antreten zur Ehre der ertrunkenen Seeleute der Kursk       

Es geht wieder in Richtung Murmansk. Aber schön langsam. Abends im Lenin-Raum sind dann wieder die Damen der Besatzung da und halten gut mit und es wird wieder ein langer Abend.

Auf See, den 25.9.2000

Zeit Temp. Wind Kurs Geschw. Position Tiefe Etmal Distanz zur Küste
07:00 4° C 20 m/s 010° 5 Kn 70° 17' N, 38° 01' E 206 M 156 Nm 60 Heftiger Sturm 
19:00 9° C 25 m/s  250° 5,2 Kn 69° 42' N, 35° 01' E 190 M     /  45 aus NW

Bin gegen 10:00 Uhr aufgestanden, habe mich in aller Ruhe rasiert und habe an Deck eine Zigarette geraucht. Der Wind hat mächtig aufgebriest und es hat 8-10 Windstärken. Das Schiff macht bei achterlicher See heftige Bewegungen. Kann mir vorstellen, dass es die Rudergänger nicht leicht haben. Ich habe beschlossen einen Ruhetag einzulegen. Die Damen haben für Morgen zur Fete eingeladen.

Luba, Chefin der Kadettenmesse

Und die SEDOV macht jetzt richtig einen los. Es schaukelt mächtig. Am besten ist es jetzt in der Koje. Marc ist seekrank und kommt mit der Tüte zum Abendessen. In der Kadettenmesse ist der Teufel los. Die Tassen auf dem Tisch kippen einfach um und das Püree hängt unter dem Tisch. Die Kadetten jubeln vor Begeisterung und Luba ist dem Heulen nahe. Das Schiff liegt 20° nach jeder Seite und die Windgeschwindigkeit liegt bei 25 m/s.

Zu 22.00 Uhr ist Segelmanöver angemeldet. Nur mit der Stammbesatzung. Es ist richtig schweres Arbeiten unter diesen Bedingungen. Im Lenin-Raum bekommt man nichts davon mit.

Auch heute ist es ein langer Abend.

 

 

Auf See, den 26.9.2000

Zeit Temp. Wind Kurs Geschw. Position Tiefe Etmal Distanz zur Küste
07:00 3° C 13 m/s 055° 5 Kn 69° 55' N, 36° 02' E 145 M 124 Nm 35
19:00 3° C 10 m/s  240° 6 Kn 69° 34' N, 33° 56' E 270 M     /  10

Heute Morgen um 9.00 Uhr sieht die Welt bedeutend ruhiger aus. Im Augenblick tuchen sie die Segel auf. Es gab drei Segel die gerissen sind -und diese werden jetzt ausgetauscht. Am letzten Abend war es nicht ganz so spät geworden. Heute Abend ist noch eine Fete angemeldet, denn morgen sind wir im Hafen und haben die Einklarierung, das bedeutet Stress und keine Zeit zum Feiern. Am Donnerstag geht es an die Pier mit Musik und Hurra.

Berni hatte gestern Cola-Rum und ist heute etwas unpässlich. Mein Frühstück war wie jeden Tag an der Koje. Mit Marc hatte ich noch einen Fototermin. Er brauchte noch ein Bild von sich auf dem Bugsprit. Das Wetter ist heute nicht so gut und ich bin schnell wieder verschwunden. Die Nacht wollen wir vor der Einfahrt in den Fjord rumdümpeln und morgen bei Tageslicht die Revierfahrt machen.

Auf See, den 27.9.2000  

Zeit Temp. Wind Kurs Geschw. Position Tiefe Etmal Distanz zur Küste
07:00 2° C 12 m/s 180° 2 Kn 69° 30' N, 33° 57' E 267 M 96 Nm 10
19:00 9° C 4 m/s      68° 59' N, 33° 02' E 17 M     /  Einlaufen Fjord 8.00 Uhr

Die letzte Nacht war doch recht lang geworden und wir sind gegen 02:30 in die Kojen gekommen. So der übliche Ablauf mit Tanzen und Trinken. Es waren fünf Damen anwesend und die dazugehörenden Männer. Der Lehrer der Planktons, das ist die Moskauer Gruppe mit ihren Lehrern. Sie sind noch sehr jung (12-16 Jahre). Oftmals keine guten Verhältnisse zu Hause und so ist die Schule ihr Zuhause.

In Murmansk sind Rudi und ich beim Elektriker Zuhause eingeladen. Auch beim Maler. Alle fürchten den Zoll und sind ständig am Diskutieren. Sind heute Morgen in der Einfahrt vom Fjord nach Murmansk. Der Wind heute Morgen bläst etwas mehr und wir sollten im Fjord verschwinden. Yvonne hat auch auswärts geschlafen. Die Toiletten für uns sind auch nicht zu gebrauchen. Es wurden einfach Rohre ausgebaut die sie woanders brauchen. An Deck wird eifrig Klarschiff gemacht und es kommt so etwas wie Hektik auf. Rudi zählt seine restlichen Flaschen, viele sind es nicht mehr. Auch weiß er noch nicht was er alles einpacken und mitnehmen soll. Es ist noch viel zu tun.

Gleich an der Einfahrt des Fjords an STB sind die Einfahrten zu ihren Atom-U-Booten zu sehen. Einfache Naturhäfen, aber ich kann mir denken, dass sie gut gesichert sind. Die Landschaft ist wild und schön. Es gibt viele Felsen und doch einigermaßen grüne Flächen. Das Laub ist bunt gefärbt. Es gibt jetzt auch schon Häuser zu sehen und dann kommen wir auch an kleineren Werften vorbei, aber alles für ihre Militärmaschinerie. Einen Lotsen haben wir auch an Bord bekommen.

Ajoscha Langsam kommt Ajoscha, der Krieger, der auf einem Berg über Murmansk steht, in Sicht. Zu seinen Füßen, wo auch die abgewrackten U-Boote liegen, gehen wir an Anker. Kurz nach dem Ankern kommen auch die Zöllner und die Immigration. Dick in Uniform und mit sehr wichtigen Gesichtern.

Sie begeben sich gleich in die Messe und langen erst einmal richtig zu. Es gehört zum Ritual! Wenn das nicht wäre, würde die Einklarierung etwas länger dauern. Die Besatzung muss ihre mitgebrachten Einkäufe beim Zoll vorführen. Eisschrank den Niedergang runter, auspacken und das Ganze wieder zurück.

Wir Trainees hatten es einfacher. Es war nur Gesichtskontrolle und sie haben die Pässe eingesammelt. Nur Berni wurde aufgefordert sich ganz zu zeigen. Er schaute nur so um die Ecke und das war nicht genug. "Wir möchten dein Gesicht ganz sehen", sagten sie zu ihm. Und es waren zwei Damen die bei uns kontrollierten. Rudi war bei Viktor und hat die Massen der Papiere gestempelt. Juri legt jedes Blatt Viktor vor, er unterschreibt und gibt es an Rudi weiter, der dann den Schiffsstempel auf das Papier drückt. Büroarbeit in Teamwork! Aber kurz und schmerzlos. Man hat jedes Mal ein komisches Gefühl bei einer Einreise in den Osten.

Die ganze Aktion hat ungefähr fünf Stunden gedauert und es geht ein Aufatmen durch das Schiff. Wir sitzen eine ganze Weile im Leninraum und warten auf Rudi. Haben auch schon mit dem Trinken angefangen.

Gegen 23.00 Uhr kommt Rudi dann mit Viktor in den Leninraum. Beide strahlen und Viktor meint: "So, die Papierarbeit ist erledigt" und lässt sich auf einen Stuhl fallen. Viktor bekommt einen Whisky und strahlt. Er gibt sich jetzt ganz entspannt und es wird noch öfter angestoßen an diesem Abend. Es sind auch einige von den Trainees dabei. Nur Yvonne fehlt. Und ich kann mir vorstellen, das wäre was für ihre Berichterstattung gewesen.

Mit dem Kapitän eines Segelschiffes an einer Back!Kapitän Victor Mishenew

Berni möchte morgen früh um 06:30 Uhr Wasser an Deck haben, denn er möchte mit dem Deckwaschschlauch duschen. Wir haben uns beölt über diesen Spruch. Nur Berni hatte schon 8 Promille im Blut. Gegen 03:00 Uhr war dann die Fete beendet. Es war aber ein sehr schöner Abschluss der Reise, weil Viktor nach unten kam. Viktor macht so etwas eigentlich nie!

Murmansk-Hafen, den 28.9.2000

Aufputzen für die Ankunft

So gegen 06.00 Uhr wird es laut an Deck. Es werden die letzten Vorbereitungen zum Einlaufen getroffen. Man holt die Flaggen für über die Toppen auf, auch Wasser an Deck ist bestellt und es wird nochmals das Deck gewaschen. Nur Berni, der an Deck duschen wollte, fehlt!

Gallina mit Rudi an der Pier

Das Schiff zittert und sie hieven den Anker. Zwei Hafenschlepper stehen "Stand by" und nehmen die Schleppleinen vorne und achtern wahr. Zur Passagierpier ist es nicht weit und bald sehen wir die Leute an der Pier stehen. Sie packen die SEDOV millimetergenau an die Pier. Es stehen vielleicht 150 Kadetten längs der Pier Spalier. Viele Uniformen sind zu sehen und natürlich viele Angehörige der Kadetten. Auch eine Kapelle ist angetreten und spielt. In dieser Kapelle spielt auch Gallina in Uniform mit. Ich erkenne sie erst nicht, aber Rudi gibt mir den Tipp. Die Kadetten an der Pier haben sich jetzt eingehakt, und bilden eine Wand aus Menschen. Der Staat feiert sich erst einmal selbst!

Spalier zum Empfang

An Deck wird es immer voller. Auch Presse und Fernsehen ist vertreten. Auf der Brücke steht Gallianow und hält eine Rede. Ebenso der Bürgermeister von Murmansk.

Rektor Gallianow, Rektor der Universität in Murmansk

Die Planktons

Auch die Planktons sind mit Ihrem Lehrer angetreten. Putzige Kerlchen. Auch Seitzew springt an Deck rum. Irgendwann verläuft sich die Masse und es wird ruhiger.

   Seitzew mit Kapitän Victor Mishenew

Nach dem Mittag gehe ich mit Berni, Rudi II und Willy an Land. Wir wollen Postkarten schreiben. Berni braucht 25 Stück, Rudi II nimmt 15 Stück und ich habe mir 5 Stück gekauft. In der Cafeteria vom "ARCTIKA" schreiben wir sie dann. Bin schnell mit Meinen fertig und klebe dann auf Bernis Karten die Marken drauf. Mir ist bei dieser Menge die Spucke weggeblieben. Anschließend laufen wir noch ein wenig durch die Stadt.

Rudi II in Ruhestellung

Es ist bunter geworden. Man hat eine Menge Farbe verbraucht aber unter dieser Farbe ist noch immer dieselbe Tristesse. Alles Schrott. Im Prinzip müsste man alles neu aufbauen.

Die Straßen und Gehwege sind immer noch so marode wie damals. Riesige Löcher in der Fahrbahn und auch auf den Gehwegen.

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